RECIFE. Vorteil Joachim Löw, die Erfolgstour nach Rio de Janeiro geht weiter. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat im Dauerregen von Recife einen weiteren Schritt in Richtung Titel absolviert, Löw hat das mit Spannung erwartete Duell mit seinem Vorgänger Jürgen Klinsmann gewonnen, Deutschland spielt nach dem 1:0 (0:0)-Erfolg über die USA am kommenden Montag (22.00 Uhr MESZ) das sechste Achtelfinale des Turniers in Porto Alegre. Das entscheidende Tor in der 55. Minute markierte Thomas Müller mit seinem vierten Treffer in Brasilien, nachdem Torwart Tim Howard einen Kopfball von Bastian Schweinsteiger nach Flanke von Mesut Özil nur abprallen lassen konnte.
Befreit jubelte Joachim Löw an der Außenlinie, Freund, Kontrahent und Vorgänger Jürgen Klinsmann schüttelte sich kurz und trieb seine Mannschaft weiter an. Seit 1986 in Mexiko steht die deutsche Mannschaft ununterbrochen zum achten Mal im Achtelfinale, für Löw ist das auf dem Weg zum ersehnten vierten Weltmeistertitel gegen Klinsmann zumindest ein Prestige-Erfolg. Beide Trainer schonten sich im Dauerregen an der Außenlinie nicht, vor allem Klinsmann gestikulierte wie zu Zeiten als deutscher Bundestrainer, er ist und bleibt ein Irrwisch der Coaching-Zone. Beide umarmten sich nach dem Spiel herzlich. Auch Klinsmann steht im Achtelfinale, und in Deutschland darf weiter vom ganz großen Erfolg geträumt werden.
Joachim Löw hatte schon am Vortag gesagt, seine personellen Entscheidungen getroffen zu haben, ohne sie aber zu nennen. Sie fielen am Tag des letzten und entscheidenden Gruppenspiels dann aber aus wie erwartet. Für Sami Khedira, der gegen Ghana enttäuscht hatte, rückte Bastian Schweinsteiger vom FC Bayern erstmals in die Startformation. Und auch Löws Verzicht auf Mario Götze war keineswegs eine Überraschung. Lukas Podolski vom FC Arsenal stürmte auf der linken Seite, um der US-Abwehr seine geballte Kölner Körperlichkeit entgegen zu setzen. Ansonsten vertraute Löw seiner Ursprungsformation bei dieser Weltmeisterschaft, mit Schweinsteiger und Podolski nominierte er aber eine der stilbildenden Kombinationen des Turniers 2006 in Deutschland.
In Recife regnete es ohne Unterbrechung. Die Spieler mussten sich vor der Begegnung außerhalb des Spielfeldes aufwärmen, um den Rasen zu schonen. 24 Stunden prasselte der Regen auf die Stadt, alle Zufahrtsstraßen standen unter Wasser, in der Stadt selbst herrschten chaotische Verhältnisse. Zwischenzeitig hatte es Spekulationen um eine Absage oder zumindest eine Verschiebung des Spieles gegeben. Dafür gab es aber zu keinem Zeitpunkt eine Grundlage, wie der Weltfußballverband Fifa eine Stunde vor dem Anpfiff von Schiedsrichter Rawschan Irmatow aus Usbekistan mitteilte.
Die deutsche Mannschaft kontrollierte von Beginn an das Spiel. Schweinsteiger verteilte die Bälle im Mittelfeld, der erste Vorstoß von Jerome Boateng war sofort gefährlich, Podolski nahm die Flanke allerdings zu artistisch (2.). Sechs Minuten später flankte Podolski selbst, Thomas Müller verpasste in der Sturmmitte. Es dauerte bis zur 23. Minute, ehe sich die US-Amerikaner aus der deutschen Umklammerung befreien konnten und durch Graham Zusi zu ihrer ersten Chance kamen, der Ball flog allerdings knapp über das Tor von Manuel Neuer. Mit zunehmender Spieldauer behielt die deutsche Mannschaft zwar die Kontrolle, die USA, immer wieder angefeuert durch Jürgen Klinsmann an der Außenlinie, durch ihre katapultartigen Vorstöße aber gefährlicher. Immer wieder fand Regisseur Michael Bradley Anspielstationen.
Der deutschen Mannschaft gelang es nicht mehr, Chancen zu kreieren, Mesut Özil spielte gegen die robuste US-Abwehr zu zurückhaltend, der einzige, der sich beständig in der ersten Linie wehrte, war Lukas Podolski, aber seine Flanken fanden ihr Ziel nicht, weil die offensive Mitte in dem System von Löw nicht durchgehend besetzt ist. Bei einem Schuss von Özil, den Torwart Tim Howard nur abklatschen konnte, fehlte der Mittelstürmer auch, der diesen Ball optimal hätte verwerten können (34.). Immer häufiger tauchten die Amerikaner schnell vor dem deutschen Tor auf, die letzte Entschlossenheit in der Offensive fehlte allerdings auch ihnen.
Löw reagierte überraschend schon in der Halbzeit, nahm Podolski wieder aus dem Spiel und brachte mit Miroslav Klose den fehlenden Mittelstürmer. Müller wechselte auf rechts, Özil auf links. Druckvoller wurde das deutsche Spiel dadurch zunächst nicht, erst in der 52. Minute hatte Klose nach Flanke von Schweinsteiger seine erste Möglichkeit. (GEA)