4771 schöne Kilometer

Ist schon geschickt gemacht von unserem Andy: Die Tour geht nicht ohne grandiose Höhepunkte zuende. Um kurz nach acht satteln wir die Pferde ein letztes Mal und reiten den Loveland-Pass hinauf, vorbei an A-Basin, wo sie gestern noch Ski gefahren sind. Über die Interstate 70 brettern wir Richtung Denver hinunter, um dann nach rechts abzubiegen. Wer noch nie einen Viertausender bestiegen hat, für den ist heute der große Tag.

Für Christain sowieso: Er hat Geburtstag, bekommt seine Luck Bell und kommentiert frühmorgens am Parkplatz lapidar die Frage, was er sich wünsche: „Lass uns fahren.“ Gesagt, getan, der Viertausender heißt Mount Evans. Die Straße geht hinauf bis 4300 m.ü.M. Sie ist eng, steil und brüchig. Wir teilen sie uns mit Autos, Joggern, Radfahrern und Bergziegen. Was uns oben erwartet, ist nicht weniger als ein Gesamtüberblick der Sehnsuchtsorte, die wir gesehen haben. Die Rocky Mountains zeigen sich in ihrer ganzen Pracht, Berge und Prärie liegen vor uns wie im Bilderbuch.

Nach einem kurvigen Ritt durch die Front Range heißt es Abschied nehmen. Wir geben die Bikes ab. Schön war’s, Mensch und Material sind nach 4771 spektakulären Kilometern zurück in Denver. Ein Shuttle bringt uns ins Hotel, ein paar Stunden später sitzen wir beim Dinner in einem dieser Saloons, die uns so ans Herz gewachsen sind: Im Buckhorn Exchange, dem ältesten Etablissement Denvers, wo schon vier Präsidenten zu Gast waren und natürlich Bufallo Bill und John Wayne und andere Western-Größen. Wir essen Wapiti und Büffel und vorneweg was von der Klapperschlange. Von den Wänden glotzen uns unzählige Jagdtrophäen auf den Teller. Dazu gibt es Indian Pale Ale – ein herrlicher Abschluss.

Das war’s. Ende gut, alles gut. Die dritte GEA-Motorradreise durch die USA ist vorbei. Sie war anders als die anderen: Mehr Natur, mehr Kontakt zum wirklichen Amerika, mehr Wild-West-Romantik. Wir danken an dieser Stelle allen, die den Verlauf lesend mitverfolgt haben. Wir danken unserem Veranstalter Kultourbikes, namentlich Jürgen Hägele und Andreas Kloth, für die tolle Organisation und den reibungslosen, unfallfreien Ablauf. Und schließlich danken wir den Teilnehmern, die auf dieser Reise alles klaglos mitgemacht haben, was zum Motorradfahren gehört: Hitze, Kälte, Regenschauer, sogar Hagel. Dafür bekamen sie das, was diese Tour zu bieten hat: die Rocky Mountains in ihrer schönsten Form. Rocky Mountains High!

Über den Monarch Pass

Heute geht es hoch hinaus: Über den 3445 Meter hohen Monarch Pass erreichen wir Leadville, die höchstgelegene Stadt der USA. Während des Goldrausches 1877 lebten hier 40000 Menschen, jetzt sind es noch 2600. Die Geschichte lebt, was auch sonst. Das Opera House steht noch, in dem einst Orcar Wilke zu Gast war, gegenüber existiert noch der Saloon mit dem Hinweisschild „Bitte nicht den Pianisten erschießen“. Denn geschossen wurde hier viel, auch von bekannten „Persönlichkeiten“ wie dem Revolverheld Doc Holliday, der hier einen Polizisten niederstreckte. Der Grund? Eine offene Rechnung über 5 Dollar.

In einem Bikeshop, dem „höchstgelegenen der USA“, kaufen wir Socken mit dieser Aufschrift, an der Tankstlle gibt es für einen Dollar Sauerstofffläschchen. Wir fahren weiter und kommen recht früh in Dillon an, ein Nobelort bei den Skiorten Keystone, Breckenridge und A-Basin, das GEA-Leser noch von einer früheren Skileserreise kennen. Abends haben wir Martin Herre zu Gast, der aus Onstmettingen kommt. Er lebt seit 24 Jahren in den USA, hat hier Haus, Frau und Kind. Wir reden über drohende Waldbrände, über Donald Trump und Gott und die Welt. Für uns eine Begegnung mit Antworten auf Fragen, die sich während der Reise ergaben. Für Martin eine Gelegenheit, mal wieder richtiges Schwäbisch zu reden. Ein schöner Abend war das!

Million Dollar Highway

Der Zug kommt pünktlich. Sein anhaltendes Heulen weckt uns, oder besser ein Brüllen, das vor 100 Jahren die nächste Silberfuhre ankündigte. Dicke Wolken aus Grobstaub ausstoßend, arbeitet sich die Dampflok täglich über eine Schmalspurstrecke von Durango nach Silverton und zurück. Sie stammt aus dem Jahr 1920, der Sieben-Stunden-Trip ist auf Wochen hinaus ausgebucht. Wir machen das mit dem Motorrad und sehen uns morgens um neun Uhr einer alpinen Szenerie aus Viertausendern gegenüber. Keine Frage: Wir sind im Zentrum der San Juan Mountains, dem winterlichen Mekka der Freeride-Szene. Aber es ist Sommer, und es ist so schön hier oben!

In Silverton beginnt das, was auf der Bucketlist aller Motorradfahrer dieser Welt steht: der Million Dollar Highway. Wir schrauben uns gemeinsam mit anderen zum Red Mountain Pass hoch. Auf 3300 Meter wird die Luft dünner, was unseren Einspritzmotoren natürlich nichts ausmacht – bei Vergasern müssten wir jetzt den Schraubenzieher rausholen. Die Strecke ist gut ausgebaut. Aus den Augenwinkeln sehen wir schneebedeckte Berggipfel, endlose Hügel und Täler und einen Teppich Wildblumen. Da es keine Leitplanken gibt, halten wir uns dicht an der Steilwand. In weiten Kehren geht es hinunter nach Ouray, dem „Switzerland of America“. Nun ja, es könnte Lenzerheide sein, wäre da nicht die typische Westernarchitektur. 1880 war jedes vierte Haus ein Saloon.

Wir wollen nach Gunnison. Weil der Weg unser Ziel ist, machen wir einen Abstecher in die Black Hills, ins östliche Vorland der Rocky Mountains. Hierher verirren sich nur wenige. Wir fahren durch dichte Birkenwälder und vorbei an dicht bewachsener Heidelandschaft. Direkt auf eine Wolke zu. Und leider bewahrheitet sich die Vorhersage unseres Ballonfahrers Hardy, dass heute „noch was kommen“ könnte. Es kommt in Form von Hagel. Zusammengekauert harren auf freier Strecke wir der Dinge, dick eingepackt in Regenkombis. Unter den Baum stellt sich keinere, weil dort der Blitz einschlagen könnte – eine Theorie, die später diskutiert wird. Auf Regen folgt Sonne, so auch dieses Mal. Den Rest bis Gunnison erledigen wir ohne Zwischenfall. Am Abend gibt es T-Bone-Steaks.

Dale befürchtet einen Bürgerkrieg


Und dann kommt sie doch, die Wirklichkeit. Sie steht am Ende der Main Street in Durango und heißt Dale Kästner. Dale ist Vietnamveteran, groß, gepflegte Erscheinung, weißer Vollbart. Er kommt langsam auf mich zu, trägt eine Kerze in der Hand und mustert mich, bevor er mich vorsichtig anspricht. Seine Vorfahren sind Deutsche, sein Großvater kommt aus Düsseldorf, seine Großmutter aus Kiel. Sie waren Juden wie er, starben im KZ Bergen-Belsen. „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“, mehr deutsch ist ihm nicht geblieben. Er lernte seine Frau in Durango kennen, auch sie ist Jüdin. Auch sie trägt eine Kerze in der Hand.

Typische Demonstranten sind sie nicht. Und doch demonstrieren sie gegen die Einwanderungspolitik der Regierung, gegen Trump. Dale ist umringt von rund 100 Menschen, die alle Kerzen in der Hand halten und Transparente, auf denen es um Grundsätzliches geht. Darum, dass Amerika schon immer ein Einwanderungsland war und dass man sich nicht spalten lasse von Trumps Flüchtingspolitik. In 700 Städten dieses Landes wird zur Stunde demonstriert.

Ganz konkret geht es gegen die neuen Haftanstalten für Flüchtlinge an der Grenze zu Mexiko. Am Sonntag sollen die Flüchtlinge dort kaserniert werden. Dale ist empört, dass Kinder von ihren Eltern getrennt werden. Er zieht den Vergleich zu Konzentrationslagern, spricht den Namen Adolf Hitler aus. Viele gehen auf die Barrikaden, das Land sei in Aufruhr. „Ich befürchte einen Bürgerkrieg“, sagt Dale und stimmt in die Demonstrationchöre ein, die in Zweizeilern das Ende der Flüchtlingscamps fordern. Dale und seine Frau Jane wünschen mir zum Abschied eine schöne Zeit in den USA. Es ist ehrlich gemeint.

Wenige Meter entfernt brandet der Touristenstrom und man erinnert sich gern an diesen schönen Tag. Daran, wie man auf verschlungenen Pfaden einmalige Landschaften erkundet hat und hilfsbereite Menschen kennenlernen durfte, die sich mit ehrlichem Interesse nach der Herkunft erkundigen, die uns Ratschläge geben für die Weiterfahrt und freundlich einen guten Aufenthalt wünschen. Die Offenheit ist entwaffnend, wir reagieren nicht selten erstaunt über so viel Interesse. Interesse von Menschen, die uns gar nicht kennen. So wie Dale, der heute Abend gemeinsam mit seiner Frau zum Demonstrieren gegangen ist. Gegen Präsident Trump.

Colorado National Monument

Wind und Wasser formte diesen Canyon. Wir fahren auf dem Rim Rock Drive.


Wir fahren dorthin, wo sonst niemand hinfährt. Fast hätte es nicht geklappt, weil sich bei 37 Grad im Schatten genau da eine Wolkenfront bildet, wo unser Ziel ist. Klar könnte man auf der Interstate den kurzen Weg nach Grand Junction nehmen, was alle anderen Motorradfahrer tun, froh, der brutalen Hitze entfliehen zu können. Wir wagen es trotzdem und werden belohnt. Auf dem 37 Kilometern windet sich der Rim Rock Drive vom Westeingang bei Fruita auf 2000 Meter, wo ein frischer Wind bläst und die Temperaturen angenehm sind. Die Wolken sind wie weggeblasen.

Am Flaming Gorge mit Jim und John (rechts) von den „Punisher“

Unterwegs hierher haben wir am Flaming Gorge, auch so ein unglaublicher, kaum frequentierter Landstrich, zwei Rocker getroffen, die mit ihren Harleys erst an uns vorbeigedonnert sind und sich am nächsten Vista Point anboten, uns zu fotografieren: Jim and John, zwei Mitglieder der „Punisher“, wie ihre Kutten unschwer erkennen lassen. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass Jim und John Polizisten sind und die Punisher eine Berufsorganisation von Motorradfahrern. Sie sind seit zwei Wochen unterwegs und haben 5000 Meilen heruntergespult. Das ist ein Wort. Respekt.

Im Colorado Monument kommen wir aus dem Staunen nicht heraus. Was für ein Naturschauspiel. Die Slalompiste folgt dem Canyonrand, man blickt aus dem Augenwinkel in 600 Meter Tiefe. Lothar will es fast nicht glauben: Zwischen ihm und dem Abgrund gibt es keine Leitplanke. Die berechtigte Frage von Christian, wie das alles entstanden sind, beantwortet Wikipedia gerne: Wind und Wasser, Hitze und Frost hat tiefe Abbrüche, steile Felswände und unverwechselbare Steinformationen geformt. Die Gesteinsschichten sind zwischen 1,5 Milliarden und etwa 80 Millionen Jahren alt; ihr Farbspektrum, das von orange über rot und purpur bis braun reicht, verdankt es den Einlagerungen von Eisen und anderen Mineralien.

Am Abend in der örtlichen Brauereigaststätte Rockslide werfen wir unseren Vorsatz über Bord, heute mal kein Bier zu trinken. Und bereuen es nicht: Die Liste der Craftbiere wäre eine komplette Bierprobe wert. Es gibt 12 Fassbiere. Wir entscheiden uns für das Widowmaker Wheat, ein Weizenbier, dass völlig neue Geschm,ackswelten eröffnet. Naja, es schmeckt halt anders, aber gut. Ein Rabbit Ears Amber Ale bringt uns wieder in die Nähe unserer Gewohnheiten. Das Malz kommt übrigens aus Colorado, außer dem fürs „Kölsch“. Das kommt aus Germany.


Langer Atem auf der Interstate

Es wird flach und geradlinig: Die 89 bringt aus vom Hoch- ins Flachland nach Green River. Erst findet das Auge noch Halt an den grünen Auen eines alpinen Vorlandes, an weidenden Kühen und gut gepflegten Pferden auf ordentlichen Koppeln. Dann verliert sich der Blick am Horizont, das Band der Straße endet im Nichts. Die Temperaturen steigen, wir haben T-Shirt-Wetter. Kalte Getränke sind wichtig.

Wenn es sonst nichts zu sehen gibt, rücken Internas in den Vordergrund: die Bikes, die durch Wind und Wetter gegangen sind, entsprechend aussehen und sich zu Kunstwerken der Straße entwickeln. Nur eines nicht: das von unserem Guide Andy, der es vor Sonnenaufgang und noch vor dem Frühstück geputzt hat, der alte Streber. Immer wieder böten sich Möglichkeiten, es ihm gleichzutun, diese werden häufig thematisiert: die Bewässerungsanlagen der Viehweiden wären eine Chance! Ein Tankwart spritzt mit einem Gartenschlauch die Parkplätze ab und will sich vielleicht etwas dazuverdienen? Am Ende des Tages bleibt es beim Status Quo, wir kommen in dieser Sache nicht weiter. Strebertum steht gegen Kunstsachverstand.

Den Weg über Cokeville und Kemmerer nehmen auch andere, nämlich die LKWs als Abkürzung von der Interstate 80 zur Interstate 15. Wir fühlen uns an den ersten Spielberg-Film „Das Duell“ von 1971 erinnert. Die Monstertrucks donnern an uns vorbei, doch anders als im Film sind uns die Fahrer wohlgesonnen. Die Gigaliner sind dennoch eine Wucht. Man hält sie besser auf Distanz.

Bevor wir im „Hilton“ Anker werfen, machen wir einen Abstecher zum Harley-Dealer. Andy überreicht der freundlichen Chefin unser Tour-T-Shirt, nachdem er mitten im Laden seinen Koffer durchwühlt hat, während sich Katrin einen Helm kauft – nur mit sehr kleiner Harley-Aufschrift, wie sieht das sonst aus auf ihrer BMW zuhause? Hinterm Hotel stehen drei Felsen aus Sedimentgestein, die uns ans Monument Valley erinnern: die Tower Rocks. Erster und Lothar klettern hinauf und winken uns zu. Hier unten gibt es „Bomber Mountain“, ein lokales Bier mit dem Namenszusatz „Black Tooth“, schwarzer Zahn. Negativwerbung ist bekanntlich auch eine Verkaufsstrategie. Wir halten uns zurück, denn morgen kommt der längste Fahrtag. Abfahrt ist um 8 Uhr!

Yellowstone von Nord nach Süd

Bison voraus: Die Tiere überqueren die Straße und haben natürlich Vorfahrt.

Nächster Punkt auf der Landkarte ist Jackson. Das bedeutet: Der Yellowstone Nationalpark muss von Norden nach Süden durchquert werden. Was heißt muss: Wir sehen schneebedecktes Hochgebirge, riesige Kiefernwälder, breite Canyons und Wasserfälle, die 50 Meter in die Tiefe rauschen. Bisons queren die Straße. Ein Naturschauspiel, das sich am besten vom Motorrad aus erleben lässt. Nachteil: Die Kälte bekommen wir hautnah zu spüren. Wir ziehen dicke Handschuhe an und alles, was an Klamotten verfügbar ist.

Bison-Burger in der Silver-Dollar-Bar in Jackson.

Der Park zeigt uns heute ein weiteres Mal, was er hat, inklusive seiner Bären und Bisons. Dass am Abend Bison-Burger auf den Tisch kommt, ist ein anderes Kapitel. Die Herde im Park hat sich in den letzten hundert Jahren von 200 Tieren auf geschätzte 5000 erholt. Das Fleisch auf der Speisekarte kommt von Bisonfarmen.

Jackson, endlich mal ein Städtchen, in dem man sich richtig wohlfühlen kann. Es hat ein Stadtzentrum mit Park und nette Läden. Klar machen wir Bilder von den Torbögen aus Geweihen, Georg setzte Hardy und Bruni in Szene (siehe Fotos ganz unten). Der Tip des Tages heißt Silver-Dollar-Bar. Heute spielt eine Bluegrass-Band zum Tanz auf, und der Laden ist brechend voll. Hier treffen sich Einheimische, die Stetson-Dichte ist enorm. Ein Blick auf die Speisekarte wiederlegt ein weiteres Mal die angeblich dürftige Kulinarik: Viele Zutaten sind aus dem Snake-River-Tal, auch der Wein (Riesling) und der Whiskey (Grand Teton Wheat). Nach den Strapazen des Tages tut das gut, fast möchte man auch ein richtiger Cowboy sein.

Von Bären und Chinesen

„Ihr habt ja im Lotto gewonnen“ ruft uns Andy zu, als wir ihn am Abend treffen. Er meint die Zahl der Bären, die wir im Yellowstone Nationalpark gesehen haben. Er war nicht dabei, und so können wir unwidersprochen behaupten, es wären fünf gewesen, manche sagen vier, ein brauner, ein schwarzer und ein paar junge. Dazu noch Bisons, ein Elch und anderes Getier. Dabei fallen uns zunächst eher die Chinesen ins Auge, die in Heerscharen den Park bevölkern. Busladungsweise fallen sie von allen Richtungen ein. Die Straße und Aussichtspunkte sind brechend voll davon, ein Durchkommen ist nur noch im Schritttempo möglich. Armer Park.

Neben Tier- und Menschenarten, letztere in Blechkisten, gibt es hier Geysire zu sehen, zehntausend sollen es sein. Glück haben wir beim Old Faithful, dem berühmtesten: Jede Stunde bläst er Wasserdampf hervor, wir sehen ihn schon nach fünf Minuten, umringt von Hunderten. Und dann bekommen wir die Naturgewalt zu spüren: Auf der Südstrecke des großen Canyon Loops erwischt uns eine Regenfront seitlich. Zu allem Überfluss ist in Canyon Village eine schlammige Baustelle, die wir mit unseren Bikes durchschwimmen müssen, so dass uns die freundlichen Amis am anderen Ende fragen werden, ob wir offroaden waren, im Gelände unterwegs? Und so sieht uns der Dunraven Pass in Tarnfarbe, aber wieder trocken weil regenfrei. Leider hat die Waschanlage in Gardiner zu. Unser Bike entwickelt sich zum Gesamtkunstwerk, wie es dem bayerischen Teilnehmer Christian ohnehin vorschwebt. „Also i dad’s ned wosch’n“, rät er für den weiteren Verlauf der Reise. Darauf trinken wir im Iron Horse einen schottischen Whisky, den uns Hardy spendiert. Und, oh, ein Regenbogen am Horizont, die Abendsonne geht auf. Nur für uns.

Bärenstarke Anreise

Schnee auf 3336 Metern Höhe – Zeit zum Skifahren.

Noch haben wir nur einen Vorgeschmack dessen bekommen, was uns morgen erwartet. Auf der Anreise von Cody zum Yellowstone Nationalpark sehen wir fünf Bären und 200 Bisons. Wobei wir uns das alles für morgen aufsparen, heute steht der Fahrspaß im Vordergrund. Unser Ziel ist der Beartooth Pass, in den USA zum Kulturdenkmal erhoben. Warum? Der Pass ist eine einzige Kurvenorige. „Wenn ich jetzt nur meine BMW dabei hätte“, klagt Katrin. Kurz gesagt: Unten warm, oben kalt, dazwischen 2000 Höhenmeter. Also unten Maiglöckchen, oben Schneemänner. Die Szenerie ist ein weiteres Mal überwältigend, schwindelerregende Ausblicke, atemberaubende Abgründe. An der Passhöhe auf 3336 m.ü.M. läuft der Skilift und wird rege frenquentiert. Überhaupt treffen sich hier die Sportskanonen vom Ski- bis zum Radfahrer. Und natürlich die Motorradfahrer nicht zu vergessen.

Am Abend sind wir in Gardiner und gehen früh zu Bett, weil morgen der Park an der Reihe ist. Wir verabreden uns auf 7 Uhr zum Frühstück und dann geht’s los. Drin sind wir schon: Unser Annual Pass zahlt sich ein weiteres Mal aus. Wir freuen uns drauf!

Unser Guide Andy bekommt morgen übrigens frei, nachdem er heute so fleißig die Squirrels gefüttert hat. Er hat bis hierher einen Wahnsinnsjob gemacht – vom Reiseleiter und Amerikakenner bis zum Getränkespezialist und Lademeister. Dafür an dieser Stelle ein ganz dickes Dankeschön von allen Teilnehmern!!! Die Pause hast du Dir verdient.

Beim Rodeo in Cody

Der Tag beginnt harmlos mit Dave Dudley („Six days on The Road“). Wir schalten zurück und nehmen Big Horn unter die Räder, von 0 geht es über den Dayton-Kane Highway auf 2800 m.ü.M. Dort oben ist das Wasser so klar, dass die Bewohner aus dem Tal mit Kanistern kommen. Der Highway wurde erst in den 40er-Jahren asphaltiert, finanziert von der Holzindustrie. Erntsprechend ökonomisch fällt die Straße Richtung Lovell ab, maximales Gefälle auf minimaler Entfernung. Als wir über die Passhöhe kommen, blicken wir in gähnende Leere. Was für eine Szenerie!

Cody ist Buffallo-Bill-Stadt. Ein Museum so groß wie eine Sporthalle ist ihm und seinen Umtrieben als berühmtester Amerikaner gewidmet. Die Flaggendichte ist hoch, Straßenkreuzer und Harleys (ausnahmslos) cruisen auf der Main Street. Im Buffallo Bills Salloon, benannt nach seiner Tochter Irma, essen wir Steak an der Bar, als Vorbereitung aufs Rodeo am Abend.

Rodeo mag nicht Jedermanns Sache sein. Ein perfektes Spektakel ist es allemal, ein fröhliches Volksfest mit Popcorn und kaltem Bier. Männer tragen weiße Stetsons, und alle tragen Cowboystiefel. Bei der Nationalhymne sind alle gerührt, ebenso beim kollektiven Gebet für Mensch und Tier. Dann füllen Rock-Hymnen das Stadion, und los geht die Show. Zwei Stunden lang werfen Pferde und Bullen junge Akrobaten ab, werden junge Rinder mit dem Lasso eingefangen, preschen Mädchen mit Pferden um Fässer herum. Dass hier Amerika noch Amerika sei, bestätigt der Stadionsprecher: „Welcome to America“ ruft er den paar Kaliforniern zu, die sich unter den Zuschauern zu erkennen geben – Kalifornien steht hier wohl als Synonym für Warmduscher. Die Menge amüsiert sich prächtig. Nach zwei Stunden geben die nationalen Größen am Ausgang Autogramme. Im Rodeo-Shop kann man Lassos kaufen. Die Show ist zuende, alle sind glücklich, die Lichter gehen aus. Good Night, America. Die Show war perfekt!