Es wird flach und geradlinig: Die 89 bringt aus vom Hoch- ins Flachland nach Green River. Erst findet das Auge noch Halt an den grünen Auen eines alpinen Vorlandes, an weidenden Kühen und gut gepflegten Pferden auf ordentlichen Koppeln. Dann verliert sich der Blick am Horizont, das Band der Straße endet im Nichts. Die Temperaturen steigen, wir haben T-Shirt-Wetter. Kalte Getränke sind wichtig.
Wenn es sonst nichts zu sehen gibt, rücken Internas in den Vordergrund: die Bikes, die durch Wind und Wetter gegangen sind, entsprechend aussehen und sich zu Kunstwerken der Straße entwickeln. Nur eines nicht: das von unserem Guide Andy, der es vor Sonnenaufgang und noch vor dem Frühstück geputzt hat, der alte Streber. Immer wieder böten sich Möglichkeiten, es ihm gleichzutun, diese werden häufig thematisiert: die Bewässerungsanlagen der Viehweiden wären eine Chance! Ein Tankwart spritzt mit einem Gartenschlauch die Parkplätze ab und will sich vielleicht etwas dazuverdienen? Am Ende des Tages bleibt es beim Status Quo, wir kommen in dieser Sache nicht weiter. Strebertum steht gegen Kunstsachverstand.
Den Weg über Cokeville und Kemmerer nehmen auch andere, nämlich die LKWs als Abkürzung von der Interstate 80 zur Interstate 15. Wir fühlen uns an den ersten Spielberg-Film „Das Duell“ von 1971 erinnert. Die Monstertrucks donnern an uns vorbei, doch anders als im Film sind uns die Fahrer wohlgesonnen. Die Gigaliner sind dennoch eine Wucht. Man hält sie besser auf Distanz.
Bevor wir im „Hilton“ Anker werfen, machen wir einen Abstecher zum Harley-Dealer. Andy überreicht der freundlichen Chefin unser Tour-T-Shirt, nachdem er mitten im Laden seinen Koffer durchwühlt hat, während sich Katrin einen Helm kauft – nur mit sehr kleiner Harley-Aufschrift, wie sieht das sonst aus auf ihrer BMW zuhause? Hinterm Hotel stehen drei Felsen aus Sedimentgestein, die uns ans Monument Valley erinnern: die Tower Rocks. Erster und Lothar klettern hinauf und winken uns zu. Hier unten gibt es „Bomber Mountain“, ein lokales Bier mit dem Namenszusatz „Black Tooth“, schwarzer Zahn. Negativwerbung ist bekanntlich auch eine Verkaufsstrategie. Wir halten uns zurück, denn morgen kommt der längste Fahrtag. Abfahrt ist um 8 Uhr!