Für Europäer ist das grenzwertig. Manchmal. Nein, oft. Brasilien ist die Entdeckung der Langsamkeit, vorschnell wird deshalb behauptet, dass der Südamerikaner gegen Europa weltwirtschaftlich nie eine Chance besitzt. Weil auf dem alten Kontinent einfach mehr gearbeitet wird. Das ist natürlich Unsinn, aber dennoch: Das, was der Brasilianer ausgesprochen cool nennt, nervt gelegentlich.
Wenn man bei diesem Olympia der langen Wege pro Tag bis zu drei Stunden in irgendwelchen eiskalten Untergrundbahnen oder Bussen sitzt, fällt das nicht weiter auf. Aber wenn man auf dem Weg zu Bussen oder Bahnen ist und das Pech hat, hinter Brasilianern auf der Piste zu sein, kann man die Geduld verlieren. Wenn dann auch noch von irgendwelchen Weisungsbefugten irgendwelche Wege ohne Grund gesperrt werden, wird es ärgerlich.
Wenn man bei Olympia Irgendetwas schnell lernt, ist es Geduld. Aber lernen heißt ja nicht immer, sich auch daran zu gewöhnen. Die Brasilianer sind alles nette Menschen, aber organisieren können sie nicht. Brasilianer reden viel und lange, aber mit dem Entscheiden tun sie sich ausgesprochen schwer. Das gibt es zwar auch in Europa, aber vergleichsweise eher selten.
Und wenn man sich beschwert, verstehen sie es in der Regel nicht. Erklären kann bei den Olympischen Spielen auch niemand etwas wirklich. Transport ist ein Problem, Fahrpläne werden nicht eingehalten, weil es sie in Brasilien eigentlich gar nicht gibt. Man steht am Straßenrand und hebt die Hand, andere tun es auch, dann wird der Bus schon halten. Um Mitternacht ist Pablo die letzte Rettung, er wohnt in der Zona Nord von Rio, wohin aus der Zona Süd normalerweise gar keiner hinkommt. Olympia ist für ihn ein Geschäft, Pablo arbeitet durch. Insofern ist er schon fast ein Europäer.
Sie sind wirklich ein liebenswertes Volk, absolut, aber Olympia ist für sie fast ein wenig zu professionell. (Christoph Fischer)