Feste feiern im Pelourinho

VON CHRISTOPH FISCHER

Dieser Regen in Brasilien. Es strömt und prasselt wie verrückt, Nieselregen kennt der Brasilianer nicht. In der Rua das Portas da Carmo reißen die Sturzbäche fast dieTische um. Aber was kümmert das den Fan aus den Niederlanden, wenn die eigene Mannschaft den amtierenden Weltmeister Spanien in der Neuauflage des Finales von 2010 mit 5:1 aus der Arena Fonte Nova fegt. „Hast du das gesehen“, fragt Peter aus Nijmwegen immer noch ungläubig. Der Mann kann sein Glück kaum fassen. Er ist seit Jahren mit der Nationalmannschaft seines Landes unterwegs. Ein solches Spiel hat er aber noch nicht erlebt. „Das ist Louis van Gaal, es gibt keinen besseren“, sagt Peter voller Überzeugung.

Frühmorgens um 6 Uhr im Pelourinho. Noch nichts los, wo abends das Leben pulst. Foto: Fischer

Frühmorgens um 6 Uhr im Pelourinho. Noch nichts los, wo abends das Leben pulst. Foto: Fischer

Seine Landsleute machen die Nacht zum Tage im Pelourinho, dem historischen Stadtkern von Salvador de Bahia. Malerische Straßenzüge, Kopfsteinpflaster, bunt bemalte Häuser, Galerien, Kneipen, aber auch viele Menschen, die frühmorgens auf den Steinplatten aus den Augen blinzeln, weil sie die Nacht im Freien verbracht haben. Auch Kinder schlafen auf dem Marmor vor der Cathedral Basilica de Salvador, die von den Jesuiten im Zentrum der Stadt erbaut wurde. Das Pelourinho erstreckt sich von der Praca da Sé bis ins Carmo-Viertel, abends wird der historische Kern der Stadt zu einer einzigen Fiesta, Afro und Samba hämmern aus den Großlautsprechern. Die Brasilianerinnen aus dem Viertel sind alle auf der Piste, wunderschöne Menschen, denen man eine Zukunft wünscht. Die viele von ihnen nicht haben.

Peter aus Nijmwegen klagt in der kriminellsten Stadt Brasiliens beim Frühstückskaffee darüber, dass man aufpassen muss. Einem seiner Landsleute haben sie abends die Kamera entrissen. Auf Nimmerwiedersehen verschwand sie in den verwinkelten Gassen des Pelourinho. Marcel, der im Goethe-Institut von Salvador die deutsche Sprache gelernt hat, steigt ins Auto und lotst uns zum Hotel, das wir ohne ihn sicher nicht gefunden hätten. Weil alle Straßen wegen des Mundial nur noch in eine Richtung zu befahren sind und sich das Sicherheitspersonal wenig einsichtig zeigt. Auch wenn man eine Akkreditierungsmarke um den Hals hängen hat.

Im Pelourinho musst man sich selbst helfen. 50 Real verlangt Marcel für seine Stadtführung, seine Kumpels im Umfeld der Arena Fonte Nova haben vor dem Spiel der Niederländer gegen die Spanier schon 30 Real für einen inoffiziellen Parkplatz verlangt. Zumindest ist das Auto nicht abgeschleppt worden.

Das Pelourinho ist der größte zusammenhängende Barockkomplex in den Tropen und wurde von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Aber das hat die im Pelourinho lebenden Brasilianer nicht zu vermögenden Leuten gemacht. Umgerechnet 200 Millionen Euro hat dagegen die Arena Fonte Nova gekostet, die mitten in der Stadt aufragt. Auch die Spanier lassen sich nach der blamablen Niederlage die Freude am Feiern nicht verbieten. Die Weltmeisterschaft ist in der mit 2,7 Millionen Einwohnern drittgrößten Stadt Brasiliens angekommen. Salvador ist zugleich die mit der höchsten Kriminalitätsrate. Aber das spielt nach einem aufregenden Fußballspiel keine Rolle mehr. Irgendwie. Am Montag trifft in der Arena Fonte Nova die deutsche Mannschaft in ihrem ersten Gruppenspiel auf Portugal. (GEA)

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