Million Dollar Highway

Der Zug kommt pünktlich. Sein anhaltendes Heulen weckt uns, oder besser ein Brüllen, das vor 100 Jahren die nächste Silberfuhre ankündigte. Dicke Wolken aus Grobstaub ausstoßend, arbeitet sich die Dampflok täglich über eine Schmalspurstrecke von Durango nach Silverton und zurück. Sie stammt aus dem Jahr 1920, der Sieben-Stunden-Trip ist auf Wochen hinaus ausgebucht. Wir machen das mit dem Motorrad und sehen uns morgens um neun Uhr einer alpinen Szenerie aus Viertausendern gegenüber. Keine Frage: Wir sind im Zentrum der San Juan Mountains, dem winterlichen Mekka der Freeride-Szene. Aber es ist Sommer, und es ist so schön hier oben!

In Silverton beginnt das, was auf der Bucketlist aller Motorradfahrer dieser Welt steht: der Million Dollar Highway. Wir schrauben uns gemeinsam mit anderen zum Red Mountain Pass hoch. Auf 3300 Meter wird die Luft dünner, was unseren Einspritzmotoren natürlich nichts ausmacht – bei Vergasern müssten wir jetzt den Schraubenzieher rausholen. Die Strecke ist gut ausgebaut. Aus den Augenwinkeln sehen wir schneebedeckte Berggipfel, endlose Hügel und Täler und einen Teppich Wildblumen. Da es keine Leitplanken gibt, halten wir uns dicht an der Steilwand. In weiten Kehren geht es hinunter nach Ouray, dem „Switzerland of America“. Nun ja, es könnte Lenzerheide sein, wäre da nicht die typische Westernarchitektur. 1880 war jedes vierte Haus ein Saloon.

Wir wollen nach Gunnison. Weil der Weg unser Ziel ist, machen wir einen Abstecher in die Black Hills, ins östliche Vorland der Rocky Mountains. Hierher verirren sich nur wenige. Wir fahren durch dichte Birkenwälder und vorbei an dicht bewachsener Heidelandschaft. Direkt auf eine Wolke zu. Und leider bewahrheitet sich die Vorhersage unseres Ballonfahrers Hardy, dass heute „noch was kommen“ könnte. Es kommt in Form von Hagel. Zusammengekauert harren auf freier Strecke wir der Dinge, dick eingepackt in Regenkombis. Unter den Baum stellt sich keinere, weil dort der Blitz einschlagen könnte – eine Theorie, die später diskutiert wird. Auf Regen folgt Sonne, so auch dieses Mal. Den Rest bis Gunnison erledigen wir ohne Zwischenfall. Am Abend gibt es T-Bone-Steaks.