Wie klein die Welt doch ist

VON CHRISTOPH FISCHER

Sonntagmorgen gegen zwei Uhr fahren wir in der total überfüllten Tram aus dem neuen Stadion in die Stadt zurück. Total kaputt nach dem Elfmeter-Drama von Bordeaux. Auf einmal sagt einer neben mir: „Wie klein die Welt doch ist.“ Ich schaue ihn verwundert an, ein Vater im Nationaltrikot, neben ihm sein Sohn, auch im Nationaltrikot. Der Vater hat meine Akkreditierung gesehen, die um meinen Hals baumelt. „Sie sind vom GEA?“ fragt er lächelnd. Jochen Mielich kommt aus Bad Urach, mit Sohn Lino, zwölf Jahre alt, haben sie das Viertelfinale des Weltmeisters gegen Italien gesehen, es folgt für sie das letzte Viertelfinale in Paris, dann zurück in die Heimat, und dann noch das deutsche Halbfinale in Marseille. Vater Jochen hat die Tickets gewonnen.

„Lino ist wirklich geschafft, nach dem Elfmeterschießen hat er geweint, das war zuviel.“ Sagt der Vater, der ebenfalls geschafft ist. Aber glücklich. Wie Lino, der inzwischen auf dem Schoß seines Vaters eingeschlafen ist. Was Fußball-Fans doch alles auf sich nehmen, denke ich noch, als wir miteinander reden. Dann müssen sie aussteigen, ein Taxi auftreiben, das sie ins entlegene Hotel bringen soll.

Es waren drei wunderschöne Tage in Bordeaux. Fast wehmütig kehren wir dieser Stadt an der Garonne den Rücken und begeben uns wieder in Richtung Evian-les-Bains. Der Weltmeister hat gegen Italien das Halbfinale erreicht, am kommenden Donnerstag geht es nach Marseille und dann vielleicht zum Finale nach Saint-Denis.

Was wir sicher sagen können, ist, dass wir nicht das letzte Mal in Bordeaux gewesen sind. Für mich verbinden sich neben dem sportlichen Erfolg überhaupt nur schöne Erinnerungen mit dieser Stadt. Ich habe meinen Geburtstag in Bordeaux gefeiert, ich messe derartigen Veranstaltungen normalerweise nicht viel Bedeutung zu. Aber schön war es trotzdem. Ich wollte meine Kollegenschaft einladen, stattdessen haben die Kollegen mich eingeladen. Das habe ich als sehr schön empfunden, ganz abgesehen davon, dass es ein überaus preiswerter Geburtstag geworden ist.

Zum Glück nimmt die Europameisterschaft jetzt endlich richtig Fahrt auf. Als mich an meinem Geburtstag auch noch mein Freund Oliver Schraft anrief, der Mediendirektor des Leid geprüften VfB Stuttgart, und mir versicherte, dass die Zweitliga-Planungen auf einem guten Weg sind, habe ich mir gedacht, die Dinge gehen ihren Gang. Die deutsche Mannschaft holt den Titel, und der VfB schickt sich an, mit Trainer Jos Luhukay auf direktem Weg in die Bundesliga zurückzukehren. „Lino war so traurig nach dem Abstieg des VfB, hoffentlich werden wir wenigstens Europameister“, sagt Vater Mielich noch, bevor sie in der Nacht entschwinden. (GEA)

Schreibe einen Kommentar