Die Odyssee von Recife

VON CHRISTOPH FISCHER

Wir sind zurück in Porto Seguro. Damit war kaum noch zu rechnen. Irgendwann hat sich aber doch noch eine kleine Propellermaschine gefunden, in der gerade noch die 30 Plätze für die Gestrandeten von Recife übrig waren. Eine 43 Stunden dauernde Odyssee fand dann irgendwie doch noch ein Ende. Das Bett von Jogi habe ich übrigens auch noch abgeben müssen. Die Griechen, die sensationell ins Achtelfinale gekommen und gegen Costa Rica in Recife gespielt haben, baten um Einlass. Sokratis ist im Apartment 1432 eingezogen, wir mussten unseren Krempel nochmals umräumen. Aber das konnte niemand mehr schocken.

Wecken war um fünf Uhr morgens. Damit wir rechtzeitig am Flughafen sind. Um 7.30 Uhr sollte der Flieger in Richtung Porto Seguro abheben. „Das Flugzeug wartet schon“, frohlockte die Reiseleitung, was sich als irrwitzige Übertreibung herausstellen sollte. Man vertröstete uns immer um eine Viertelstunde. Bis es wirklich zu blöd wurde. Am Ende stellte sich heraus, dass ein Flieger in Recife nicht nur nicht zur Verfügung steht, sondern noch nicht einmal in Porto Seguro abgehoben hatte. Wegen Bodennebel.

Nun denn. Nach dem vierten Kaffee unterhält uns am Flughafen eine Frevo-Kombo. Aber der Rhythmus will absolut nicht in meinen Körper. Eine Aufforderung zum Tanz einer Schönheit aus Recife lehne ich ab, was ich sonst nie tun würde. Aber mir fehlt einfach der Antrieb. Wenn nichts funktioniert, reagiert man irgendwie auf alles allergisch. Sie kennen das.

Irgendwann, als wir uns schon mehr oder weniger auf einen weiteren Tag im Hotel der Nationalmannschaften eingerichtet hatten, sagt einer: Alles einsteigen. Durch einen Hinterausgang gelangen wir mit dem Bus auf einen weit entfernten Teil des Flughafens, wo in der hintersten Ecke unser kleines Propellerflugzeug auf uns wartet – und auch dort drei brasilianische Schönheiten. Die erste ist der Offizier, die zweite eine Flugschülerin und die dritte das Kabinenpersonal. Sie haben uns sicher nach Porto Seguro gebracht. Geht doch, sage ich, als bei einem Kollegen die am Flughafen vor fünf Tagen geparkte Karre keinen Mucks mehr tut. Batterie alle. Es gibt Tage, an denen man am besten gar nicht aufsteht. Dem armen Kerl stehen die Tränen in den Augen. Am Montag geht es mit dem Flieger in Richtung Porto Alegre. Die Reiseleitung versichert, wir kommen noch in der Nacht zum Dienstag zurück. Bin mal gespannt.

In den Stadien der Welt

Angefangen hat alles auf dem Kreuzberg. Das ist ein Berg im sauerländischen Olpe. Auf diesem Berg ist ein Fußballplatz, auf dem die Spielvereinigung Olpe versucht, Fußball zu spielen. Damals mit meinem alten Herrn bin ich da immer hin. Danach ging es nach Köln in die Südkurve des Müngersdorfer Stadions, das später das RheinEnergieStadion werden sollte. Seitdem geht und gilt nichts anderes als der 1. FC Köln. Das ist so. Und Sie, lieber Leser, sollten das wissen. Dies ist ein Outing eines Fußballfreundes. Der trotz FC auch gerne ins Stadion an der Kreuzeiche geht, aber der SSV Reutlingen ist nun einmal nicht der 1. FC Köln. Das erst einmal dazu.

Ehrlich, die Stadien in Brasilien sind schön, meint unser Sportchef Christoph Fischer. Foto: pr

Ehrlich, die Stadien in Brasilien sind schön, meint unser Sportchef Christoph Fischer. Foto: pr

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Richtung Achtelfinale

VON CHRISTOPH FISCHER

Deutschlands Nationalmannschaft kann sich in Brasilien gegen den Erfolg kaum noch wehren. Vor dem letzten Gruppenspiel kann als weitestgehend sicher gelten, dass die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw nach der Vorrunde Gruppenerster wird und das Achtelfinale in Porto Alegre spielt. Das wird auch Löws Vorgänger Jürgen Klinsmann und die USA kaum ändern können.

Das ist ein großer Erfolg. Wenn auch ein erwartbarer. Auch im Achtelfinale winkt in Belgien, Russland oder Algerien eine Aufgabe, die nicht unlösbar erscheint. Joachim Löws Marschroute stimmt, seine Mannschaft hat bisher die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Das ist nicht wenig, angesichts der geäußerten Erwartungen aber noch nicht genug.

Jeder in der äußerst selbstbewussten deutschen Mannschaft spricht vom Titel als ausgegebenem Ziel. Drumherumgeredet wird nicht. „Wir sind nicht in Brasilien, um an der Copacabana spazieren zu gehen“, sagt Lukas Podolski, der beim Turnier bisher noch gar nicht zum Einsatz kam.

Löws Auswahl funktioniert, die großen Aufgaben warten naturgemäß ab Viertelfinale. Dennoch scheint die Prognose nicht übertrieben, dass es die deutsche Mannschaft auf jeden Fall wieder ins Halbfinale schaffen kann. Alles andere hängt dann von Nuancen ab. Was nichts daran ändert, dass für den Bundestrainer diese Weltmeisterschaft nur dann ein Erfolg wird, wenn er im achten Jahr seiner Amtszeit endlich den ersehnten Titel gewinnt. Es wäre der vierte für Deutschland. Und für Joachim Löw die Krönung seiner Amtszeit.

Phänomen der „Außenbetrachtung“

VON CHRISTOPH FISCHER

Mats Hummels spricht bei journalistischen Bewertungen des Fußballs gerne von Phänomenen der „Außenbetrachtung“. Wir wollen uns daher ausnahmsweise an dieser Stelle einmal mit Phänomenen der Innenbetrachtung auseinandersetzen, weil die Medienmenschen in Brasilien vom Deutschen Fußball-Bund mehr oder weniger täglich zu Pressekonferenzen gebeten werden. Das ist normal.

Diese Konferenzen werden von den Kolleginnen und Kollegen des Fernsehens übertragen. Fragen werden gestellt. Sie sollten nicht zu kritisch sein und sich möglichst nur mit der sportlichen Situation auseinandersetzen. Privates wird nicht verhandelt, was nachvollziehbar ist, Aufstellungen werden nicht verraten. Und der Bundestrainer, das ist neu in Brasilien, lässt sich selten sehen. Joachim Löw macht sich rar bei diesem Turnier, das für ihn ein entscheidendes ist. Auch das ist vielleicht nachzuvollziehen. Rar machen sich auch die Nationalspieler. Nur selten gibt es die Möglichkeit von Einzelinterviews.

Die Folgen sind immer Spekulationen. Die der Deutsche Fußball-Bund nicht gerne sieht. Die aber unvermeidbar sind, wenn die Verkündungsstrategie von Pressekonferenzen die ist, möglichst wenig zu sagen. Kontrolle auszuüben, harte Kritiker sagen: Zensur. Die Medienmenschen haben sich inzwischen daran gewöhnt. Die Karawane zieht weiter.

Provisorien so weit das Auge reicht

VON CHRISTOPH FISCHER

Zwei Wochen in Brasilien. In anderen Zusammenhängen spricht man, auch wenn die Hälfte des Turniers noch nicht um ist und es den Deutschen trotzdem zu Zwischenbilanzen zieht, bei einem Termin dieser Art vom Bergfest. Zumindest in meiner sauerländischen Heimat. Zwei Wochen Brasilien, und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat gerade ihr zweites Spiel bei der Weltmeisterschaft absolviert. 28 von 64 Begegnungen sind gespielt.

Blick auf Salvador. Foto: Christoph Fischer

Blick auf Salvador. Foto: Christoph Fischer

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Good bye England

VON CHRISTOPH FISCHER

Sie hatten noch gehofft. Dass die Italiener doch bitteschön gegen Costa Rica gewinnen sollten. Die Squadra Azzurra tat England den Gefallen nicht und verlor überraschend mit 0:1. England ist damit in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Brasilien ausgeschieden. Vielleicht sollte man auf der Insel, wo in der Premier League die stärkste Liga der Welt spielt, jetzt endlich darüber nachdenken, ob man den Stil des Fußballs alter Prägung in der Nationalmannschaft nicht doch ein wenig weiterentwickeln will.

Vielleicht ist in England der Neuanfang genauso notwendig wie in Spanien. Auch wenn Vicente del Bosque und Roy Hodgson noch keine Bereitschaft erkennen lassen, ihren Job aufzugeben. Irgendwann ist immer der Zeitpunkt gekommen, in dem neue Besen neu kehren müssen. Meist ist das bei Weltmeisterschaften der Fall. Wenn aus Favoriten Mitläufer oder aus den vermeintlich überragenden Formationen Mannschaften werden, die schon nach der Vorrunde nach Hause fahren müssen. Und selbst die Italiener, die zum Auftakt ein fantastisches Spiel gegen England ablieferten, müssen nun gegen Uruguay um die verbleibende Chance aufs Achtelfinale kämpfen. Wie Uruguay. Es wird spannend. Nur Costa Rica ist mit zwei Siegen eine Runde weiter. Für Viele eine Zeitenwende.

Vielleicht ist es aber nur der immer wieder zutreffende Hinweis darauf, dass man sich auf vergangenen Erfolgen im Fußball niemals ausruhen darf. Oft wird vergessen, dass gerade in dieser Sportart die Entwicklung sprunghaft ist. Sicherheit war gestern, Herausforderung ist heute. Und die Stärke einer Profiliga im Lande hat nicht immer etwas mit der Qualität einer Nationalmannschaft zu tun. Und umgekehrt.

Immer am Ball

22.22 Uhr am Freitagabend. In der GEA-Sportredaktion wird akuell die Samstag-Ausgabe produziert.

Frank Pleyer ist unser lebendiges Rechtschreibprogramm

Frank Pleyer ist unser lebendiges Rechtschreibprogramm

 

Manfred Kretschmer haut noch mächtig in die tasten; Frank Pleyer schaut, dass uns der Fehlerteufel keinen Streich spielt und Michael Grimm haben wir diese beiden Bilder der Kollegen zu verdanken…

Ganz dicht dran an der deutschen Nationalmannschaft: Manfred Kretschmer.

Ganz dicht dran an der deutschen Nationalmannschaft: Manfred Kretschmer.

Lieber Brasilien als Brüssel

VON CHRISTOPH FISCHER

Wir haben in Porto Seguro ein interessantes, sozusagen interfraktionelles Gespräch geführt. Das liegt unter anderem daran, dass dieser Mann etwas zu sagen hat, der seit 2002 für die Christlich Demokratische Union im Bundestag sitzt. Reinhard Grindel aus Hamburg ist aber nicht nur Bundestagsabgeordneter, ehemals im Innenausschuss, jetzt im Sportausschuss, sondern seit Oktober 2013 auch Schatzmeister des Deutschen Fußball-Bundes, einem der reichsten Sportverbände der Welt. Der Mann hat Ahnung. Auch vom Fußball.

Höchstens drei Millionen Euro gibt es für die Deutschen, wenn es tatsächlich der Titel werden sollte. „Mich ärgert, dass der Weltfußballverband unglaubliche Summen mit einer Weltmeisterschaft verdient, aber nur einen Bruchteil an die nationalen Verbände weiterreicht. Ich halte das für unvertretbar“, sagt Grindel beim Rotwein bestimmt. Das müsse geändert werden. Aber im Weltfußballverband sind Reformen ohne personelle Veränderungen in der Führung schwer vorstellbar. Das hat auch der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Wolfgang Niersbach gesagt. „Ich bin der Meinung des Präsidenten“, sagt Grindel.

Und spricht dann, wie Politiker reden. Der Reformprozess in der Fifa brauche endlich eine neue Dynamik, neue Köpfe. Der Herr Kollege Grindel leitete ab 1997 das Studio des ZDF in Berlin, vorher war er für ZDF und Sat.1 in Bonn und nachher in Brüssel. Eine journalistische Karriere, sagt man. Grindel weiß, wie er was wann wo zu sagen hat. Und wann er davon ausgehen kann, dass es auch im General-Anzeiger in Reutlingen geschrieben wird. Das ist so bei Politikern, die im Idealfall vorher Journalisten gewesen sind. „Habt ihr eigentlich etwas mit dem General-Anzeiger in Bonn zu tun?“, fragt er. Indirekt, sage ich. Der deutsche Botschafter hatte mich das auch schon gefragt.

„Entweder gefällt es einem in Brüssel oder eben nicht. Mir gefällt Brüssel nicht“, sagt Grindel und lächelt beim zweiten Rotwein. Dann hat ihm die CDU ein Angebot gemacht. Seitdem macht er Politik. Und jetzt eben auch Sportpolitik. Wegen der Finanzen in Fifa und DFB wollen wir nächste Woche telefonieren. Grindel muss zurück nach Berlin, Sitzungswoche. Irgendwie macht er ein Gesicht, als würde er lieber in Brasilien bleiben. (GEA)

Wäsche im Quartier

Es wird allmählich knapp im Quartier. Also nicht platzmäßig, sondern mit der Wäsche. Die Kollegen haben schon mehrere Waschgänge hinter sich, aber in unserer bewährten WG wird eigentlich bis zum heutigen Tag immer nur über die Wäsche gesprochen. „Wir müssten eigentlich endlich einmal waschen“, sagt der geschätzte Kollege Michael J. „Kennst du dich mit der Maschine aus?“, frage ich. „Ja klar, ich wasche zu Hause doch auch“, sagt Michael.

Es tut sich aber nichts. Ich habe es heute wieder versucht. „Wir müssten eigentlich unbedingt mal waschen“, sage ich. Michael schaut ein wenig betreten und sagt dann: „Dazu brauchen wir Waschmittel.“ Die Kollegen haben welches, da haben wir gestern drüber gesprochen, ich erinnere mich genau. „Dann müssten wir es holen“, sage ich. Michael nickt. Es tut sich nichts.

Gott sei Dank fliegen wir morgen nach Fortaleza. Das heißt: Morgen können wir auch nicht waschen. Und am Sonntag müssen wir wieder nach Santo André ins Quartier der Nationalmannschaft. Ehrlich gesagt, erwarte ich den ersten Waschgang in unserer WG realistisch frühestens Montag. Also, bevor Sie denken, ich sei ein Schmierfink, ein irgendwie ungepflegter Mensch: Zuhause in Reutlingen wasche ich auch. Ich weiß, wie die Maschine funktioniert, ich habe sie schließlich selbst gekauft. Waschmittel gibt es auch. Und wenn nichts mehr da ist, sorgt meine bessere Hälfte für Nachschub. Gut, sie wäscht auch häufig. Wahrscheinlich, ehrlich gesagt, häufiger als ich. Und sie bügelt Hemden. Und außerdem habe ich fast nie Zeit. Zum waschen, meine ich.

„Wir sollten jetzt endlich mal waschen“, sage ich in Porto Seguro nochmals mit Nachdruck. Ich verstehe einfach nicht, warum der geschätzte Mitbewohner sich nie um Waschmittel kümmert. Vermutlich denkt er das aber auch von mir. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Der GEA ist dick dabei

Stattliche vier Mitglieder der GEA-Sportredaktion – Sabine Hirrle, Michael Grimm, Manfred Kretschmer und Frank Wild – haben beim WM-Tipp der Wanderfreunde Enzian mitgemacht. Und streiten sich seit Beginn des Eröffnungsspiels mit dem Organisator des Tippspiels, dem Pfullinger Fußball-Abteilungsleiter Timo Schyska, sowie weiteren 170 Leuten um die vorderen Plätze und damit um die fetten Geldtöpfe.

Wobei man sagen muss, dass sich Frank Wild eigentlich bereits nach dem ersten Spieltag aller Mannschaften verabschiedet hat. Ganz anders Manfred Kretschmer und Michael Grimm, die beide nach dem ersten Auftritt aller Teams unter den Top Ten auf dem geteilten fünften Rang lagen. Der GEA ist also dick dabei – klaro: Da sitzt der geballte Fußball-Sachverstand, der jeden Tag auf fünf Seiten über die WM berichtet.