Wohngemeinschaften sind in

Es drängt mich in den verbleibenden Tagen von Porto Seguro doch noch zu einem politischen Statement. Und das hat mit meiner studentischen Vergangenheit in den 70er Jahren zu tun. Auch wenn die nicht mehr so bewegt waren wie das Jahrzehnt davor, zählte in den 70er Jahren des alten Jahrtausends in Köln und Bonn die Wohngemeinschaft wie anderorts auch zu den prägenden Lebensformen. Sie war erstens preiswerter als alles andere, jeder hatte seinen Teil zum gesamtganzen Gelingen beizutragen und auch sonst barg sie manch erstrebenswerte Abenteuer.

Nun sind der Kollege Michael und ich von Abenteuern jedweder Art in Porto Seguro weit entfernt. Aber jeder weiß doch, was zu tun ist. Der eine kauft ein, der andere wäscht, der eine räumt auf, der andere bügelt. Ohne die Erfahrungen von Wohngemeinschaften würde das nicht funktionieren. Haben wir zuletzt jedenfalls nochmals übereinstimmend festgestellt.

Wir folgern daraus, dass die Wohngemeinschaft auch vier Jahrzehnte später noch attraktiv ist. Wenn das mit dem gesamtganzen Gelingen natürlich immer auch mit langwierigen Diskussionen zu tun hatte, man machte damals ja nichts, ohne es vorher eingehend zu besprechen. Und das Zusammenleben konnte ja durchaus unterschiedlich geprägt sein. Konservativ, sozialdemokratisch, liberal, sozialistisch, kommunistisch. Wir hatten auch Phasen, da wohnten alle prägenden politischen Richtungen der damaligen Zeit unter einem Dach. Das war nicht immer einfach. Aber es hat alle damals weitergebracht. Finden Michael und ich zumindest.

Zuletzt haben wir daran gedacht, in Irland nochmals gemeinsam Urlaub zu machen. Das haben wir früher öfter. Mit dem Rad, „friends of the irish opera“, wenn Sie verstehen. Wenn Sie also bei Ihrem nächsten Irland-Urlaub zwei ältere Herren auf Tourenrädern heftig diskutierend durch, sagen wir einmal, Limerick, fahren sehen, könnte das mit den Tagen von Porto Seguro zusammenhängen. Nur dass sie das schon einmal wissen. Es handelt sich um eine Promotiontour für Wohngemeinschaften.

Sonntags hat der Koch Pause

Wir haben endlich durch Vermittlung eines langjährigen Freundes und Kollegen vom Sport-Informations-Dienst ein Gasthaus gefunden, das wir bis gestern Abend schon fast als unsere Stammkneipe in Porto Seguro bezeichnet haben. In dieser Kneipe steht ein Steinofen. Und in diesem Steinofen wird eine wunderbare Pizza gebacken. Die haben wir bisher mit größter Freude verzehrt. Seit José weiß, dass ich Weintrinker bin, ist auch der Sauvignon aus Chile kaltgestellt. Alles bestens.

Gestern Abend sind wir nun experimentierfreudig geworden. Das hat sich als großer Nachteil herausgestellt. Jedenfalls haben wir zum ersten Mal ein Stück von einem toten Tier bestellt. Filet Mignon war angesagt. Und Mailänder Schnitzel. Normalerweise kommt José immer noch mal vorbei und fragt, ob er alles richtig verstanden hat. Das hat er gestern nicht getan. Wir schöpften aber noch keinen Verdacht.

Viel später kam das Fleisch. Ohne Beilagen. Die kämen in zwei Minuten, sagte José. Wir sagen es ungern, aber das Fleisch war ungenießbar. Ich komme mit meinen Zähnen trotz meines Alters immer noch durch alle kulinarischen Hindernisse, gestern musste ich aufgeben. Man hätte mir auch einen alte Reifen auf den Teller legen können. Der Kollege aus Osnabrück wurde richtiggehend sauer. Das passiert normalerweise nie. Kurz vor der Eskalation habe ich bezahlt. Die Getränke. José hatte ein Einsehen.

Mir ließ es keine Ruhe. Und ich habe nachgefragt. Mensch Alter, wer hatte denn heute in der Küche Dienst? In der Küche sei sonntags keiner, sagte José kleinlaut. Und weil er uns mag, hätte er es ausnahmsweise selbst versucht. Und das habe nicht funktioniert. Kann man so einem Menschen böse sein? Ich sage in aller Entschiedenheit: Nein. Heute gehe ich wieder hin. Ich lasse José nicht im Stich.

Das bisschen Haushalt macht sich von allein

Also Brasilien ist ja nicht nur Fußball schauen, Geschichten schreiben, im Flieger sitzen und im Hotel auf den nächsten warten. Nein, in unserem Quartier sind auch andere Talente gefragt. Vieles dreht sich um den Haushalt. Ich berichtete, glaube ich, schon von unseren Problemen mit der Waschmaschine. Wie soll ich sagen, die Probleme sind keine mehr.

Michael hat Waschpulver geholt, ich mir Expertenrat und seitdem läuft das Ding rund und wäscht und wäscht. Weil es aber mit Waschen nicht getan ist, Frauen dieser Welt aufgepasst, wird bei uns auch gebügelt. Nicht nur aus zeitgeschichtlichen Gründen habe ich Michael dabei fotografiert. Er macht das gut, bügelt bislang aber nur seine Sachen. Da muss ich noch Überzeugungsarbeit leisten. Ich hatte mir gedacht, ich lasse die Waschmaschine laufen und er kümmert sich um die Bügelarbeiten. Wir sind noch nicht endgültig entscheiden.

Aber es geht voran, aus der Innensicht würde ich davon sprechen, dass wir die Lage im Toko Village zu Porto Seguro im Griff haben. Andere beauftragen Wäschereien, wir machen es selbst. Selbst ist der Mann, und das bisschen Haushalt macht sich (wirklich fast) von allein. Um einen alten Schlagertext zu zitieren.

Vorfreude pur

Muss doch einmal gesagt werden. Bei aller berechtigten Kritik an der Leistung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Algerien im Achtelfinale von Porto Alegre. Die Mannschaft steht im Viertelfinale gegen Frankreich bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Muss man wirklich mehr sagen? Und diese Veranstaltung findet in einer Kultstätte des internationalen Fußballs statt. Im Maracaná. Das ist wie Wembley in London oder Bernabéu in Madrid oder Camp Nou in Barcelona. Vermutlich ist es mehr. Maracaná ist das Optimum.

Als bei der Weltmeisterschaft 1950 Brasilien mit 1:2 gegen Uruguay im entscheidenden Spiel der Finalrunde in Maracaná verlor, den Titel nicht gewann und das Land in totale Trauer stürzte, waren 203851 Menschen in diesem Stadion. Nie mehr vorher oder nachher waren bei einem Spiel mehr Zuschauer in einem Stadion, nie mehr spielte die Selecao seitdem in weißen Trikots und nie mehr war es in dem Stadionrund so ruhig wie damals, als der zweite Treffer Uruguays Brasilien in den Schockzustand versetzte. Dabei hätte die Selecao damals „nur“ ein Unentschieden benötigt und war mit 1:0 in Führung gegangen.

Seitdem gab es unzählige „Schlachten“ in diesem Stadion. Für die Weltmeisterschaft 2014 haben sie die Kultstätte umgebaut. Es ist ein anderes Stadion geworden, aber es ist natürlich immer noch das Maracaná. Ich kann nicht anders, als mich unbändig auf dieses Stadion zu freuen. Auch wenn es nicht mehr das alte ist, um das sich so viele Legenden ranken. Freitag ist es soweit. 13.00 Uhr Ortszeit ist Anstoß zwischen Deutschland und Frankreich in Rio de Janeiro. Und ich bin dabei. Vorfreude pur.

In den Stadien der Welt

Angefangen hat alles auf dem Kreuzberg. Das ist ein Berg im sauerländischen Olpe. Auf diesem Berg ist ein Fußballplatz, auf dem die Spielvereinigung Olpe versucht, Fußball zu spielen. Damals mit meinem alten Herrn bin ich da immer hin. Danach ging es nach Köln in die Südkurve des Müngersdorfer Stadions, das später das RheinEnergieStadion werden sollte. Seitdem geht und gilt nichts anderes als der 1. FC Köln. Das ist so. Und Sie, lieber Leser, sollten das wissen. Dies ist ein Outing eines Fußballfreundes. Der trotz FC auch gerne ins Stadion an der Kreuzeiche geht, aber der SSV Reutlingen ist nun einmal nicht der 1. FC Köln. Das erst einmal dazu.

Ehrlich, die Stadien in Brasilien sind schön, meint unser Sportchef Christoph Fischer. Foto: pr

Ehrlich, die Stadien in Brasilien sind schön, meint unser Sportchef Christoph Fischer. Foto: pr

Weiterlesen

Kommentar: Alles läuft nach Plan

Die deutsche Nationalmannschaft steht im Achtelfinale der Weltmeisterschaft. Seit 1986 in Mexiko ist das zwar eine gewohnte Übung, aber im Duell zwischen Bundestrainer Joachim Löw und seinem Vorgänger Jürgen Klinsmann ist das doch eine besondere Note. Das 1:0 gegen die USA war kein fußballerisches Glanzstück im Dauerregen von Recife, aber es war ein solide herausgespielter Sieg gegen eine Mannschaft, die auf dem Weg ist. Das hat Jürgen Klinsmann in Recife selbst festgestellt. Wer Weltmeister werden will, darf sich von den USA nicht aufhalten lassen.

Weiterlesen

1:0 gegen die USA: Müller ballert Deutschland zum Sieg

RECIFE. Vorteil Joachim Löw, die Erfolgstour nach Rio de Janeiro geht weiter. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat im Dauerregen von Recife einen weiteren Schritt in Richtung Titel absolviert, Löw hat das mit Spannung erwartete Duell mit seinem Vorgänger Jürgen Klinsmann gewonnen, Deutschland spielt nach dem 1:0 (0:0)-Erfolg über die USA am kommenden Montag (22.00 Uhr MESZ) das sechste Achtelfinale des Turniers in Porto Alegre. Das entscheidende Tor in der 55. Minute markierte Thomas Müller mit seinem vierten Treffer in Brasilien, nachdem Torwart Tim Howard einen Kopfball von Bastian Schweinsteiger nach Flanke von Mesut Özil nur abprallen lassen konnte.

Thomas Müller jubelt über seinen Treffer zum 1:0 gegen die USA. Foto: dpa

Thomas Müller jubelt über seinen Treffer zum 1:0 gegen die USA. Foto: dpa

Weiterlesen

Als der große Regen kam

RECIFE. Der Busfahrer wollte nicht. Eigentlich. Es geht nicht, gestikulierte der gute Mann. Hatte die Empfangsdame im Hotel auch schon gesagt. Am Ende fuhr der Bus dann doch. Morgens um acht Uhr Ortszeit in Recife. Der Regen war schon am Vorabend über die Stadt gekommen. Am Morgen des Duells zwischen den USA und Deutschland in der Arena Pernambuco, die außerhalb der Stadt fast unverschämt verschont von den Fluten auf einem Hügel liegt, regnet es immer noch in Strömen. Erinnerungen werden wach an das Halbfinale 1974 gegen Polen in Frankfurt.

Wolkenbruchartige Regenfälle setzen Recife unter Wasser. Foto: Thomas Eisenhuth/dpa

Wolkenbruchartige Regenfälle setzen Recife unter Wasser. Foto: Thomas Eisenhuth/dpa

Weiterlesen

Der Showdown von Pernambuco

RECIFE. Vor dem Duell zwischen den USA und Deutschland ist alles gesagt, dem »Showdown von Pernambuco« steht nichts mehr im Weg. Jürgen Klinsmann, der einstige Revolutionär des deutschen Fußballs, steht mit dem US-Team vor einem der größten Momente seiner Laufbahn, sagt er. »Das werde ich nicht mehr erleben, gegen meine ehemalige Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft zu spielen. Das ist etwas Besonderes für mich.« Klinsmann wirkt fast ein wenig ergriffen von der Macht des Moments.

Will nicht nur beim Rugbyspielen Spaß haben: Bastian Schweinsteiger (vorne) darf heute gegen die USA auf eine Nominierung für die Startelf hoffen. FOTO: dpa

Will nicht nur beim Rugbyspielen Spaß haben: Bastian Schweinsteiger (vorne) darf heute gegen die USA auf eine Nominierung für die Startelf hoffen. FOTO: dpa

Weiterlesen

Wie groß das Land

Dieses Land ist unvorstellbar groß. Wenn man bedenkt, dass ganz Europa in dieses Land Brasilien hineinpasst, kann man sich ausmalen wie weit man fahren muss, um von einer Stadt dieses Landes in die andere zu kommen. Über 700 Kilometer sind es von Porto Seguro nach Salvador. Und das ist eigentlich eine kurze Entfernung. Wenn man das mit dem Flieger erledigt, kaum der Rede wert. Aber mit dem Auto ist das etwas anderes. Wir haben von den Strapazen berichtet. Erledigt, machen wir nicht noch einmal. Der Europäer hält sich immer für klüger. Stimmt gar nicht.

Ein schönes Plätzchen: Der Strand von Salvador. Foto: Christoph Fischer

Ein schönes Plätzchen: Der Strand von Salvador. Foto: Christoph Fischer

Weiterlesen