Phänomen der „Außenbetrachtung“

VON CHRISTOPH FISCHER

Mats Hummels spricht bei journalistischen Bewertungen des Fußballs gerne von Phänomenen der „Außenbetrachtung“. Wir wollen uns daher ausnahmsweise an dieser Stelle einmal mit Phänomenen der Innenbetrachtung auseinandersetzen, weil die Medienmenschen in Brasilien vom Deutschen Fußball-Bund mehr oder weniger täglich zu Pressekonferenzen gebeten werden. Das ist normal.

Diese Konferenzen werden von den Kolleginnen und Kollegen des Fernsehens übertragen. Fragen werden gestellt. Sie sollten nicht zu kritisch sein und sich möglichst nur mit der sportlichen Situation auseinandersetzen. Privates wird nicht verhandelt, was nachvollziehbar ist, Aufstellungen werden nicht verraten. Und der Bundestrainer, das ist neu in Brasilien, lässt sich selten sehen. Joachim Löw macht sich rar bei diesem Turnier, das für ihn ein entscheidendes ist. Auch das ist vielleicht nachzuvollziehen. Rar machen sich auch die Nationalspieler. Nur selten gibt es die Möglichkeit von Einzelinterviews.

Die Folgen sind immer Spekulationen. Die der Deutsche Fußball-Bund nicht gerne sieht. Die aber unvermeidbar sind, wenn die Verkündungsstrategie von Pressekonferenzen die ist, möglichst wenig zu sagen. Kontrolle auszuüben, harte Kritiker sagen: Zensur. Die Medienmenschen haben sich inzwischen daran gewöhnt. Die Karawane zieht weiter.

Flexibilität ist Trumpf

VON CHRISTOPH FISCHER

Man sollte wirklich nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Und im Fußball ist ohnehin nicht alles berechen- und vorhersehbar. Aber ein Satz von Joachim Löw bleibt trotzdem bemerkenswert. „Das Spiel hat sich irgendwie so entwickelt, obwohl das nicht so geplant war“, sprach der Bundestrainer nach dem 2:2 gegen Ghana.

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Provisorien so weit das Auge reicht

VON CHRISTOPH FISCHER

Zwei Wochen in Brasilien. In anderen Zusammenhängen spricht man, auch wenn die Hälfte des Turniers noch nicht um ist und es den Deutschen trotzdem zu Zwischenbilanzen zieht, bei einem Termin dieser Art vom Bergfest. Zumindest in meiner sauerländischen Heimat. Zwei Wochen Brasilien, und die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat gerade ihr zweites Spiel bei der Weltmeisterschaft absolviert. 28 von 64 Begegnungen sind gespielt.

Blick auf Salvador. Foto: Christoph Fischer

Blick auf Salvador. Foto: Christoph Fischer

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Good bye England

VON CHRISTOPH FISCHER

Sie hatten noch gehofft. Dass die Italiener doch bitteschön gegen Costa Rica gewinnen sollten. Die Squadra Azzurra tat England den Gefallen nicht und verlor überraschend mit 0:1. England ist damit in der Vorrunde der Weltmeisterschaft in Brasilien ausgeschieden. Vielleicht sollte man auf der Insel, wo in der Premier League die stärkste Liga der Welt spielt, jetzt endlich darüber nachdenken, ob man den Stil des Fußballs alter Prägung in der Nationalmannschaft nicht doch ein wenig weiterentwickeln will.

Vielleicht ist in England der Neuanfang genauso notwendig wie in Spanien. Auch wenn Vicente del Bosque und Roy Hodgson noch keine Bereitschaft erkennen lassen, ihren Job aufzugeben. Irgendwann ist immer der Zeitpunkt gekommen, in dem neue Besen neu kehren müssen. Meist ist das bei Weltmeisterschaften der Fall. Wenn aus Favoriten Mitläufer oder aus den vermeintlich überragenden Formationen Mannschaften werden, die schon nach der Vorrunde nach Hause fahren müssen. Und selbst die Italiener, die zum Auftakt ein fantastisches Spiel gegen England ablieferten, müssen nun gegen Uruguay um die verbleibende Chance aufs Achtelfinale kämpfen. Wie Uruguay. Es wird spannend. Nur Costa Rica ist mit zwei Siegen eine Runde weiter. Für Viele eine Zeitenwende.

Vielleicht ist es aber nur der immer wieder zutreffende Hinweis darauf, dass man sich auf vergangenen Erfolgen im Fußball niemals ausruhen darf. Oft wird vergessen, dass gerade in dieser Sportart die Entwicklung sprunghaft ist. Sicherheit war gestern, Herausforderung ist heute. Und die Stärke einer Profiliga im Lande hat nicht immer etwas mit der Qualität einer Nationalmannschaft zu tun. Und umgekehrt.

Immer am Ball

22.22 Uhr am Freitagabend. In der GEA-Sportredaktion wird akuell die Samstag-Ausgabe produziert.

Frank Pleyer ist unser lebendiges Rechtschreibprogramm

Frank Pleyer ist unser lebendiges Rechtschreibprogramm

 

Manfred Kretschmer haut noch mächtig in die tasten; Frank Pleyer schaut, dass uns der Fehlerteufel keinen Streich spielt und Michael Grimm haben wir diese beiden Bilder der Kollegen zu verdanken…

Ganz dicht dran an der deutschen Nationalmannschaft: Manfred Kretschmer.

Ganz dicht dran an der deutschen Nationalmannschaft: Manfred Kretschmer.

Lieber Brasilien als Brüssel

VON CHRISTOPH FISCHER

Wir haben in Porto Seguro ein interessantes, sozusagen interfraktionelles Gespräch geführt. Das liegt unter anderem daran, dass dieser Mann etwas zu sagen hat, der seit 2002 für die Christlich Demokratische Union im Bundestag sitzt. Reinhard Grindel aus Hamburg ist aber nicht nur Bundestagsabgeordneter, ehemals im Innenausschuss, jetzt im Sportausschuss, sondern seit Oktober 2013 auch Schatzmeister des Deutschen Fußball-Bundes, einem der reichsten Sportverbände der Welt. Der Mann hat Ahnung. Auch vom Fußball.

Höchstens drei Millionen Euro gibt es für die Deutschen, wenn es tatsächlich der Titel werden sollte. „Mich ärgert, dass der Weltfußballverband unglaubliche Summen mit einer Weltmeisterschaft verdient, aber nur einen Bruchteil an die nationalen Verbände weiterreicht. Ich halte das für unvertretbar“, sagt Grindel beim Rotwein bestimmt. Das müsse geändert werden. Aber im Weltfußballverband sind Reformen ohne personelle Veränderungen in der Führung schwer vorstellbar. Das hat auch der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Wolfgang Niersbach gesagt. „Ich bin der Meinung des Präsidenten“, sagt Grindel.

Und spricht dann, wie Politiker reden. Der Reformprozess in der Fifa brauche endlich eine neue Dynamik, neue Köpfe. Der Herr Kollege Grindel leitete ab 1997 das Studio des ZDF in Berlin, vorher war er für ZDF und Sat.1 in Bonn und nachher in Brüssel. Eine journalistische Karriere, sagt man. Grindel weiß, wie er was wann wo zu sagen hat. Und wann er davon ausgehen kann, dass es auch im General-Anzeiger in Reutlingen geschrieben wird. Das ist so bei Politikern, die im Idealfall vorher Journalisten gewesen sind. „Habt ihr eigentlich etwas mit dem General-Anzeiger in Bonn zu tun?“, fragt er. Indirekt, sage ich. Der deutsche Botschafter hatte mich das auch schon gefragt.

„Entweder gefällt es einem in Brüssel oder eben nicht. Mir gefällt Brüssel nicht“, sagt Grindel und lächelt beim zweiten Rotwein. Dann hat ihm die CDU ein Angebot gemacht. Seitdem macht er Politik. Und jetzt eben auch Sportpolitik. Wegen der Finanzen in Fifa und DFB wollen wir nächste Woche telefonieren. Grindel muss zurück nach Berlin, Sitzungswoche. Irgendwie macht er ein Gesicht, als würde er lieber in Brasilien bleiben. (GEA)

Der GEA ist dick dabei

Stattliche vier Mitglieder der GEA-Sportredaktion – Sabine Hirrle, Michael Grimm, Manfred Kretschmer und Frank Wild – haben beim WM-Tipp der Wanderfreunde Enzian mitgemacht. Und streiten sich seit Beginn des Eröffnungsspiels mit dem Organisator des Tippspiels, dem Pfullinger Fußball-Abteilungsleiter Timo Schyska, sowie weiteren 170 Leuten um die vorderen Plätze und damit um die fetten Geldtöpfe.

Wobei man sagen muss, dass sich Frank Wild eigentlich bereits nach dem ersten Spieltag aller Mannschaften verabschiedet hat. Ganz anders Manfred Kretschmer und Michael Grimm, die beide nach dem ersten Auftritt aller Teams unter den Top Ten auf dem geteilten fünften Rang lagen. Der GEA ist also dick dabei – klaro: Da sitzt der geballte Fußball-Sachverstand, der jeden Tag auf fünf Seiten über die WM berichtet.

Das Ende einer Ära

Trainer Vicente del Bosque kann mit Spanien nach dem letzten Vorrundenspiel am Montag die Heimreise antreten. FOTO: WITTERS

Trainer Vicente del Bosque kann mit Spanien nach dem letzten Vorrundenspiel am Montag die Heimreise antreten. FOTO: WITTERS

VON CHRISTOPH FISCHER

Es tat fast körperlich weh, die Spanier zu sehen. Das Mühen um Rehabilitierung nach dem 1:5 gegen die Niederlande. Aber die Mühen des amtierenden Weltmeisters waren auch gegen Chile vergeblich. Ganz offensichtlich vergeblich. Eine Mannschaft, die seit dem Europameistertitel 2008 den Weltfußball dominierte, hat ihren Zenit am Ende doch schneller überschritten als erwartet.

Experten hatten vorausgesagt, dass Spanien selbstverständlich Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung in Brasilien habe. Aber das elegante Kurzpassspiel, das die Spanier selbst dann noch nicht aufgaben, als sie längst geschlagen waren, hat sich überholt. Die enorme Dynamik und Schnelligkeit des Fußballs ist über sie hinweg gegangen. Die Spanier haben nichts mehr zuzusetzen. Und trotzdem tut es weh, diese großartigen Techniker am Ende als Verlierer zu sehen.

Vicente del Bosque, dieser große Trainer, ist mit seinem Latein am Ende. „Das ist ein sehr trauriger Tag für uns“, sagte er. Und irrte nach dem 0:2 gegen Chile orientierungslos durch die Arena. Der Mann findet sein Ziel nicht mehr. Einer, der für Neuerungen stand, der mit seinen Ideen den spanischen Fußball entwickelte wie keiner vor ihm, ist an das Ende seiner Schaffenskraft gelangt. Eine Ära ist vorbei.

Auch die Spanier müssen akzeptieren, dass man den Weltfußball nicht langfristig dominieren kann. Irgendwann ist die Dominanz, die Einmaligkeit einer Mannschaft, nur noch bewunderte Vergangenheit. Der Absturz ist meist brutal. Aber nur er ermöglicht den Neuanfang. Ohne die Akteure vergangener Höhenflüge.

Breitner wie nie: Ein Tag im Campo mit Jogi und Hansi

VON ACHIM MUTH

Neuer Tag im Campo Bahia: Draußen fließt ruhig der Niersbach vorbei. Die Fischer auf dem Kahn werfen ihre Netzer aus, in der Reus zappelt eine Scholl. Am Ufer arbeiten einige Weidenfeller mit ihrer Axt. Durchs Gestrüpp streift ein Löw. Am Himmel flattert ein Finke. Drüben auf dem Mertesacker kicken ein paar Kinder. Idylle. Auf dem Bierhoff des Campo sitzt der Jogi und trinkt ein Glas Balotelli. Eben hat er noch mit seiner Dante telefoniert. Im Fernsehen läuft gerade der Kinofilm Hulk, der hat einen Oscar bekommen. Das Haus ist eine tolle Immobile, es hat sogar einen Durm aus Holz. Den hat der Draxler gemacht. Auch das Badezimmer glänzt, erst gestern ist der Beckenbauer fertig geworden. Alles edel: Der Badstuber ist aus Mahagoni, der Wasserhahn aus Silva und hat 1000 Sterling gekostet. Lahm gingen die Bauarbeiten zunächst voran, doch dann klappte alles wie am Schürrle. Jetzt wohnt die ganze Kompany schon ein paar Tage hier. Das erste Spiel wurde gewonnen, nach einem Ginter über rechts hat Poldi mit der Piqué getroffen. Alles scheint gut. Plötzlich kommt der Hansi auf seiner Kawashima angefahren und ruft: „Jogi, drüben in der Villa sieht es aus wie bei einem Schweinsteiger. Man glaubt da wohnt ein Messi oder ein Pena.“ Aber auch Hansis Kleider sind schmutzig. Sein Sakho hat einen Flick, da waren offenbar Motta dran.

Jogi: „Hansi, ich gebe Dir mal einen Matip: Nimm etwas van Persie, dann geht das raus.“

Hansi: „Und wenn nicht?“

Löw: „Dann nimm einen Zwanziger und lass Dir beim Snijder ein neues machen.“

Hansi: „Gut, Jogi.“

Plötzlich schreit der Mats, er wurde von einer Hummels gestochen. Di Maria macht ihm einen Verband und dann gehen sie alle durch den Park zum Mittagessen in die Mensah vom Campo. Gestern gab’s griechisches Glykos mit Tziolis. Auf dem Hitzfeld dampft es aus den Töpfen.

Jogi: „Hansi, was gibt’s heute zum Essien?“

Hansi: „Hausgemachte Klose mit Sosa, richtig schön Kroos.“

Mmmhhhh. Leckie. Die mag der Jogi, er schüttet sich aber immer noch etwas Maggio drüber. Dazu hat der Schwarzenbeck frisches Brot aus echtem Roggenmehl vom Müller gemacht.

Hansi: „Was magst du trinken, Jogi?“

Jogi: „Ich nehme einen Coentrao, und du?“

Hansi: „Für mich einen Martinez.“

Gemütlich sitzen sie auf der Mata und werden immer Völler. Die Köpke sind schwer. Hinter dem Effenberg mit dem Großkreutz geht die Sonne unter. Der Jogi gibt dem Hansi einen Klopp: Ein Herz und eine Seeler. Am Ende sind sie Breitner wie nie. Aber ein letztes Zieler haben sie noch: Weltmeister.