VON CHRISTOPH FISCHER
Sagen wir es einmal so. Die Fahrt über 750 Kilometer von Porto Seguro nach Salvador zählt bisher zu den anstrengendsten Unternehmungen des brasilianischen Abenteuers. 24 Stunden vor dem Spiel der deutschen Mannschaft gegen Portugal sind wir in unser zweites Hotel weit außerhalb der Stadt gezogen, wo man aus dem Fenster auf das Meer blickt.
Wenn es nicht den kleinen Nachteil geben würde, dass zwischen Meer und Hotel die Schnellstraße Richtung Salvador entlang führt. Entlang donnert sollte man vielleicht besser sagen. Schlafen wird zum Problem. Und die Nacht über fiel außerdem wieder tropischer Regen auf die Stadt. Fernsehbilder zeigen brasilianische Städte unter Wasser.
Uns fehlt schon jetzt die historische Altstadt, das Pelourinho. In der Rückschau ein prägendes Erlebnis der Brasilien-Tour. Sollten Bundestrainer Joachim Löw und seine Mannschaft Gruppenzweiter werden, kommen wir nochmals nach Salvador zurück. Ansonsten war es das, heute Abend nach dem Spiel geht es zurück nach Porto Seguro ins Paradies der deutschen Nationalmannschaft in Santo André. Nach dem 4:0-Sieg gegen Portugal werden die Jungs in bester Stimmung sein.
Schön ist, dass man auch in Brasilien noch den Rest des Sportgeschehens auf der Welt mitbekommt. Mit Lukas Podolski haben wir auch über seinen Freund Michael Schumacher geredet. Und offenbar geht es mit dem in Frankreich ja irgendwie wieder aufwärts. Ist jedenfalls in Brasilien ein großes Gesprächsthema, dass der Legendäre aus Kerpen doch irgendwie irgendwann wieder auf die Beine kommt. Und dass Martin Kaymer aus Mettmann bei Düsseldorf die US Open gewinnt, das macht den Golffreund fast euphorisch. Vor allem den aus dem Rheinischen. Morgen Weiteres aus Porto Seguro.
Archiv für den Monat: Juni 2014
Weiträumig umfahren
Wie das so ist bei einer Weltmeisterschaft. Da steht dieses Stadion von Salvador mitten in der Stadt, aber das Hineinkommen ist ein Problem. Ohne Akkreditierung geht es gar nicht. Mit Akkreditierung ist es einfacher, weil sich Tore öffnen, die sich sonst nie öffnen würden. Wir sind heute von unserem Hotel – drei Sterne, bitte nicht nach Komfort in Brasilien fragen, wir belegen immer ein Zimmer zu zweit – über eine Dreiviertelstunde in die Stadt gefahren, wo in drei Stunden die deutsche Mannschaft in ihrem ersten Spiel dieser Weltmeisterschaft auf Portugal trifft.
Ein Taxifahrer brachte uns, immer freundlich – diese freundlichen Menschen werden mir fehlen, wenn ich wieder in Baden-Württemberg bin – nach weiträumiger Umfahrung bis nahe an die Arena Fonte Nova heran. Nahe ist ein dehnbarer Begriff. Unser Fahrer sprach mit den Händen von fünf Minuten, ehe er uns lachend verabschiedete. Es wurden 20, aber egal. Ein Zaun am anderen, fast liegt das riesige Stadion einsam. Drumherum werkeln sie jeden Tag, weil in Salvador wie andernorts nichts wirklich fertig geworden ist. Man staunt bei diesen Turnieren immer wieder darüber, wie viel in Bewegung gesetzt werden muss, um ein simples Fußballspiel stattfinden zu lassen. Hunderte von Menschen bewachen Tore, Sicherheitspersonal zu Fuß und zu Pferd, Polizeipatrouillen umkreisen die Arena, alles ist auf der Piste. Damit nichts passiert.
Fast fehlt uns schon das Pelourinho, die Altstadt, wo wir zwei Nächste verbracht haben – unser Auto steht hoffentlich immer noch dort, mit dem wir nach dem Spiel wieder acht bis neun Stunden nach Porto Seguro unterwegs sind. Wünscht uns Glück, liebe Leser des GEA.
Im Pelourinho geht man über uralte Pflasterstraßen und blickt über malerische Häuserfronten, ich berichtete schon darüber. Das neue Stadion ist dagegen wie ein Ufo in diese Stadt gekommen. Und wenn die Weltmeisterschaft diese Stadt wieder verlassen hat und die oft traurige Realität die Brasilianer wieder für sich alleine haben, fragt man sich, was aus diesem Ungetüm wird. Der EC Bahia ist immerhin ein Erstligist, andere Städte wie Manaus haben nur einen Viertligisten. Und man fragt sich dort, wie das Riesenstadion nach den vier Erstrundenspielen dieser Weltmeisterschaft jemals wieder gefüllt werden soll. In Salvador de Bahia hoffen sie zumindest darauf. Und dann wird die Arena auch nicht mehr so bewacht werden müssen wie beim Spiel Deutschland gegen Portugal.
Kommentar: Die Kraft des Moments
Manuel Neuer hat es gesagt, die deutsche Nummer eins mag Turniere wie die Weltmeisterschaft, er mag den Druck und er mag die großen Momente. Es ist dieses spezielle Selbstbewusstsein, das diesen Torwart auszeichnet. Bis zuletzt hatte es Zweifel gegeben, ob die Zeit nach der Verletzung der Schulter ausreicht. Offenbar reichte sie aus. Entgegen aller Erfahrungen mit Kapseleinrissen im Schultereckgelenk.
Weiterlesen
Feste feiern im Pelourinho
VON CHRISTOPH FISCHER
Dieser Regen in Brasilien. Es strömt und prasselt wie verrückt, Nieselregen kennt der Brasilianer nicht. In der Rua das Portas da Carmo reißen die Sturzbäche fast dieTische um. Aber was kümmert das den Fan aus den Niederlanden, wenn die eigene Mannschaft den amtierenden Weltmeister Spanien in der Neuauflage des Finales von 2010 mit 5:1 aus der Arena Fonte Nova fegt. „Hast du das gesehen“, fragt Peter aus Nijmwegen immer noch ungläubig. Der Mann kann sein Glück kaum fassen. Er ist seit Jahren mit der Nationalmannschaft seines Landes unterwegs. Ein solches Spiel hat er aber noch nicht erlebt. „Das ist Louis van Gaal, es gibt keinen besseren“, sagt Peter voller Überzeugung.
Boulevard Bahia
VON CHRISTOPH FISCHER
Der Boulevard pulst jetzt im Zentrum der Region, in Salvador de Bahia. Weil wir Porto Seguro für drei Tage verlassen haben. Und das kam so. Am Freitagabend spielten die Niederlande gegen Weltmeister Spanien, eines der aufregendsten Spiele der Vorrunde in Brasilien. Dachten wir. Und es kam auch so. Nur mussten wir mit dem Auto von Porto Seguro nach Salvador. 750 Kilometer. Über Landstraße, lieber Leser. Autobahnen kennt der Brasilianer nicht. 6.30 Uhr los, 14.30 Uhr in Salvador, acht muntere Stunden auf der Piste ohne Pause. Weiterlesen
„Ich mag die großen Momente“
AUS SALVADOR BERICHTET CHRISTOPH FISCHER
Das deutsche Schicksal ruht wieder auf gesunden Schultern. Manuel Neuer sitzt auf dem Podium in der Arena Fonte Nova in Salvador und strahlt Zuversicht aus. „Vor einem großen Spiel weiß man nie, wo man steht, nachher ist man immer schlauer“, sagt die Nummer eins der deutschen Nationalmannschaft. Neuer ist es vorher. Dass er gegen Portugal am Montag (18 Uhr MESZ/ARD) spielt, ist keine Debatte mehr. „Es geht mir gut, ich bin fit, ich habe intensiv trainiert, alles hat gehalten“, sagt Neuer. Die deutsche Nummer eins ist bereit „für das erste Finale dieser Weltmeisterschaft“. Weiterlesen
Die Kraft des Moments
VON CHRISTOPH FISCHER
Manuel Neuer hat es gesagt, die deutsche Nummer eins mag Turniere wie die Weltmeisterschaft, er mag den Druck und er mag die großen Momente. Es ist dieses spezielle Selbstbewusstsein, dass diesen Torwart auszeichnet. Bis zuletzt hatte es Zweifel gegeben, ob die Zeit nach der Verletzung der Schulter ausreicht. Offenbar reichte sie aus. Entgegen aller Erfahrungen mit Kapseleinrissen im Schultereckgelenk.
Neuer ist dabei. 24 Stunden vorher strahlen der Torwart und der Bundestrainer extremen Siegeswillen aus. Das muss bei einem Favoriten auch so sein, alles andere stellt die falschen Weichen. Und die ersten Spiele dieser Weltmeisterschaft haben eindrucksvoll gezeigt, auf welchen Niveau in Brasilien Fußball gespielt wird.
Dieser Neuer hat keine Angst. Und die anderen haben sie auch nicht. In Brasilien ist endlich der Zeitpunkt gekommen, wo die Diskussionen der berufenen und selbst berufenen Experten vorbei ist. Der dreimalige Weltmeister muss jetzt zeigen, ob er wirklich in der Lage ist, den vierten Titel in Angriff zu nehmen. Es ist vielleicht ein Vorteil, dass der erste Gegner Portugal ist. Die Bilanzen sind positiv, aber das muss bei einer Endrunde nichts heißen.
Der Bundestrainer hat nochmals gesagt, dass er Statistiken nur untergeordnete Bedeutung zumisst. Es kommt bei einem Turnier darauf an, im richtigen Moment die richtigen Leute auf das Spielfeld zu schicken. Löw hat seine Aufstellung lange im Kopf, unabhängig von der Verletzungsproblematik. Und Löw war immer sicher, dass die Verletzten rechtzeitig fit sind. Die Rechnung scheint unerwartet aufzugehen. Mehr kann man nicht sagen, aber auch nicht weniger.
Gewöhnungsbedürftige Mitternachtsklassiker
Ein Klassiker zwischen 0 Uhr und 2 Uhr in der Nacht, live und nicht irgendeine Aufzeichnung bei Eurosport oder Sport 1 – das ist für den geneigten Fußball-Fan durchaus gewöhnungsbedürftig. Der fachkundige Blick kommt da schon immer wieder mal ein wenig verschlafen daher. Wer sich allerdings die Partie am Sonntag zwischen England und Italien (1:2) ausgehen hat lassen, der hat definitiv etwas verpasst. Von wegen zähes Ballgeschiebe angesichts der fußballunwürdigen Verhältnisse im tropischen Manaus. Die Trikots waren zwar nach einer Viertelstunde bereits durchgeschwitzt, der Attraktivität des Duells tat das allerdings keinen Abbruch.
Und überhaupt: Lahmen Fußball gab’s bei der WM noch überhaupt nicht zu sehen. Und Tore sind ja auch schon reichlich gefallen – viel mehr, als das die Experten im Vorfeld prophezeit hatten. Da macht das kleine Sportfest in Südamerika doch richtig Spaß – auch wenn man sich immer wieder die Nacht um die Ohren hauen muss. Weiter so, Jungs!
Initialzündung
Acht Stunden sind wir mit dem Auto unterwegs gewesen. Von Porto Seguro nach Salvador, der Metropole von Bahia. 2,7 Milllionen Menschen leben hier, wohnen kann man das oft nicht nennen. Es war eine schweißtreibende Fahrt. Und wir kamen erst in der Arena Fonte Nova an, als Arjen Robben das 2:1 gegen die Spanier markierte. Also sehr spät, mit den Nerven fertig und den Kräften am Ende. Aber akkreditiert sind wir jetzt endlich.
Mit dem 5:1 der Niederlande gegen den amtierenden Weltmeister Spanien hat die Weltmeisterschaft ihre Initialzündung erlebt. In Pelourinho, der historischen Altstadt von Salvador, haben wir ein Zimmer gefunden. Und Marcel ist der erste Brasilianer, den wir getroffen haben, der Deutsch spricht. Marcel hat es in einem Seminar des Goethe-Instituts gelernt. Er mag die deutschen Klassiker in der Literatur, klassische Musik mag er auch. Normalerweise arbeitet Marcel in einem Krankenhaus. Im Moment verkauft er in der Nähe des Stadions Parkplätze und betätigt sich als einer, der den ahnungslosen Europäern den Weg weist.
Der Parkplatz kostet 30 Real inoffiziell, und die Wegweisung Marcels war für 50 Real zu haben. Aber man kann diesen Menschen nicht wirklich böse sein, dass sie an dieser Weltmeisterschaft, die mit ihrem Steuergeld finanziert wird, auch ein wenig verdienen wollen. Eine Kollegin von Marcel bittet uns um ein paar Real, weil in notdürftiger Behausung Kinder etwas zu essen haben wollen. Wir haben ihre nichts gegeben, aber heute tut uns das schon fast leid. Wenn wir sie morgen wieder treffen, werden wir sie unterstützen.
Die Armut ist unvorstellbar. Und trotzdem verlieren diese Menschen nicht den Lebensmut. Abends in Pelourinho ist der Teufel los, die historische Altstadt in niederländischer Hand. Die Jungs aus unserem Nachbarland feiern buchstäblich bis zum Umfallen. Und der Wirt der Kneipe, der das Geschäft seines Lebens macht, stellt den Fernseher laut. Immer wieder laufen die Szenen des Spiels ab, die Tore von Robin van Persie und Arjen Robben. Und die Niederländer singen. Auch die Spanier machen mit. Obwohl es ihnen schwerfällt.
Und die brasilianischen Mädels aus dem Viertel sind emsig auf der Piste. Die Weltmeisterschaft in Brasilien hat angefangen. Und wenn man die Freude der Menschen sieht, ist aller Ärger über die missliche Anreise vergessen. Heute Abend fliegen Bundestrainer Joachim Löw und die Seinen in Salvador ein, am Montag geht es gegen Portugal. Der Konkurrent um den Titel sind jetzt die Niederlande, nicht mehr die Spanier.
Sommermärchen reloaded
Bild
Das Sommermärchen der WM 2006 hat Deutschland verzaubert. Nun läuft die nächste Fußball-Weltmeisterschaft – und die Fans schmücken ihre Autos mit Flaggen, Schals und Tröten. Sollte die Nationalmannschaft diesmal den Traum wahr werden lassen und Weltmeister werden, würden fast drei Viertel der Deutschen gern mit einem der Spieler Autokorso fahren. Der beliebteste Beifahrer ist Double-Gewinner Thomas Müller (18,35 %) von Bayern München. Auf Platz 2 mit nur einem Prozent weniger Zustimmung folgt Mannschaftskollege Manuel Neuer (16,89 %). Weiter geht es mit den „Sommermärchen“-Stars Philipp Lahm (15,31 %), Bastian Schweinsteiger (15,07 %) und Lukas Podolski (15,05 %) auf den Plätzen 3 bis 5. Dies sind Ergebnisse einer Umfrage der AachenMünchener Versicherung unter 1.000 Bundesbürgern.