Aufgestiegen in den Olymp

VON CHRISTOPH FISCHER

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat im Maracaná von Rio de Janeiro ihr Traumziel erreicht, das Team von Joachim Löw ist in den Olymp des Weltfußballs aufgestiegen. Und dieser Finalsieg gegen Argentinien hat auch den letzten Zweiflern bewiesen, dass dieser Bundestrainer trotz aller Kritik im Vorfeld in einer Reihe steht mit Sepp Herberger, Helmut Schön und Franz Beckenbauer. Löw hat selbstbewusst verkündet: Wir wollen in Brasilien Weltmeister werden. Und er hat Wort gehalten.

Dieser dramatische Finalsieg nach Verlängerung ist gerade nach den Verletzungen von Sami Khedira und Christoph Kramer ein Statement für den Weltfußball. Deutschland stand zum achten Mal in einem Endspiel um die Weltmeisterschaft. Viermal hat sie das Stadion jetzt als Titelträger verlassen. Deutschland ist die erste Mannschaft Europas, die in Südamerika ein Turnier für sich entscheiden konnte.

Angesichts der hohen Qualität der Nationalmannschaft und eines jeden einzelnen deutschen Spielers war das fast erwartbar. Die Bundesliga ist nachweislich eine der stärksten Ligen der Welt, die Nachwuchsarbeit im deutschen Fußball ist weltweit anerkannt und Löw konnte bis auf den Ausfall von Marco Reus die stärkste Formation an den Start bringen. Löw hat bei diesem Turnier seine offensive Spielstrategie mit einer modernen Defensive verbunden, die höchsten Ansprüchen genügt. Der fünfmalige Weltmeister Brasilien musste davor ebenso kapitulieren wie der zweimalige Weltmeister Argentinien. Berti Vogts, der Jürgen Klinsmann 2004 als Bundestrainer vorschlug und damit die Fußball-Revolution einleitete, muss man noch heute dankbar sein. Klinsmann machte Löw zu seinem Assistenten und Nachfolger.

Löw hat alles richtig gemacht, er hat die Revolution vollendet und den vierten Triumph ins Ziel gebracht. Diese Mannschaft hat ihren Gegnern bei dieser Weltmeisterschaft nicht nur unter Druck ihren Willen aufgezwungen, sie hat die deutsche Idee des Offensivfußballs durchgesetzt.

Diese deutsche Mannschaft ist die beste der Welt.

Es ist Finaltag

Es ist wie immer an solchen Tagen. Herrlich hektisch, nichts funktioniert, und am Ende kommst du doch rechtzeitig im Stadion an. Es ist ja nicht irgendein Stadion, es ist das Maracaná in Rio de Janeiro. Es ist nicht mehr das alte Maracaná, aber es übt immer noch eine Anziehungskraft aus, die ihresgleichen sucht. 200000 Argentinier sollen in der Stadt sein, die wenigsten sind im Stadion, das aus allen Nähten platzt. Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, Argentinien gegen Deutschland, jetzt kommt es drauf an. Alles, was vorher war, ist längst Geschichte.

Interviews mit den Argentiniern vor dem Maracaná, kaum ein Durchkommen, Menschen, so weit das Auge reicht. Foto: Christoph Fischer

Interviews mit den Argentiniern vor dem Maracaná, kaum ein Durchkommen, Menschen, so weit das Auge reicht. Foto: Christoph Fischer

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Ein Schwabe in Rio de Janeiro

VON CHRISTOPH FISCHER

Bei Marcio würde man nie darauf kommen, dass er Stuttgarter ist. Marcio ist in Rio de Janeiro geboren und im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern in Baden-Württembergs Metropole angekommen. Graphikdesigner wollte er werden, das hat nicht ganz geklappt, dann hat er sich für die Musik entschieden. Als Model hat er auch gearbeitet, bei einigen Foto-Shootings bei Hugo Boss in Metzingen ist er gewesen. Kennt er alles, Marcio ist ein netter junger Mann, ein ruheloser Mensch, also ausgesprochen unschwäbisch.

In Rio ist er jetzt Reiseleiter. Und er unterscheidet sich von allen anderen, die uns bisher zugemutet wurden, dadurch, dass er sich wirklich auskennt. Mit Marcio mit dem Bus unterwegs zu sein, ist wirklich eine verlässliche Angelegenheit. Insofern doch schwäbisch. Man weiß, woran man bei ihm ist. Immer rechtzeitig am richtigen Ort.

Vor der Weltmeisterschaft ist er nach Rio de Janeiro zurückgekommen. „Nach der Weltmeisterschaft ist tote Hose“, sagt er. Was er dann macht, ist offen. „Winter in Brasilien, nichts los.“ Ob er nach Stuttgart zurückkehrt, weiß er noch nicht. „Bisher habe ich immer noch einen Job gefunden.“ In Brasilien ist das keine Sache von Zeugnissen oder Qualifikationen, sondern von Beziehungen. „Wenn du dich ordentlich bewirbst wie in Deutschland, dauert es ein Jahr, bis einer reagiert.“ In Brasilien geht eben alles langsamer, sehr viel langsamer, unendlich langsam.

Vielleicht geht er deshalb zurück, vielleicht bleibt er auch noch bis zu den Olympischen Spielen 2016, vielleicht geht er zurück und ist rechtzeitig vor Olympia wieder hier. Marcio entscheidet sich immer spontan. Am liebsten produziert er Musik, Hip Hop, Rap, Samba, Bossa Nova, er kombiniert das auch gerne. Man kann sich das vielleicht nicht vorstellen, aber es verkauft sich, sagt Marcio. Und zwischendurch verdient er sein Geld als Reiseleiter oder er unterrichtet Deutsch an brasilianischen Schulen.

Momentan ist noch soviel Geld vorhanden, erzählt Marcio, dass er es auch eine Weile ohne Job in Rio aushalten würde. Marcio Fernandes hat nicht nur in der Musik gelernt, jede Zielgruppe zu bedienen. Marcio ist wirklich flexibel. Wie der deutsche Bundestrainer und seine Mannschaft. Nicht nur im Fußball offensichtlich ein Erfolgsrezept.

Die letzte Sequenz in Santo André

VON CHRISTOPH FISCHER

Irgendwann ist immer definitiv Schluss. Im Campo Bahia wird schon alles in die Container geladen. Der Mann vom Reiseunternehmen musste schon früh zu unserem kleinen Flughafen in Porto Seguro. „Die Prinzessinnen wollen weg.“ Er spricht von den Freundinnen, Frauen und Lebensgefährtinnen der Nationalkicker. Joachim Löw hat seine Mannschaft für die letzten Trainingseinheiten völlig abgeschottet. Da gab es auch für die Models im Bannkreis der Mannschaft nichts mehr zu tun. Die „Prinzessinnen“ sind auf dem Weg nach Rio de Janeiro.

Ein Abschiedsfoto aus Porto Seguro: Abendstimmung im Hafen. Foto: Christoph Fischer

Ein Abschiedsfoto aus Porto Seguro: Abendstimmung im Hafen. Foto: Christoph Fischer

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Ruhe breitet sich aus in Brasilien

VON CHRISTOPH FISCHER

Irgendetwas ist anders. Bisher hat Luiz morgens immer fast gesungen, wenn wir zum Frühstück gekommen sind. Er hat wild gestikulierend erzählt von seinen Brasilianern und den Deutschen, dass diese beiden Mannschaften die besten sind bei der Copa. Und dass das Halbfinale eigentlich das Endspiel ist. Wir haben ihn verstanden, obwohl wir seine Sprache nicht sprechen. Er hat uns Glück gewünscht, als wir nach Belo Horizonte aufgebrochen sind. Er war sich sicher, dass Brasilien das Endspiel erreicht. Und nicht die Deutschen.

Heute Morgen beim Frühstück war alles anders. Wir waren wenige, weil die meisten noch geschlafen haben nach dem späten Rückflug, bei dem die Maschine kurz vor der Landung in Porto Seguro auch noch durchstarten musste, weil die Landebahn unter Wasser stand. Dramatisch könnte man übertrieben sagen, spannend war es schon, aber wir haben alles überlebt.

Heute Morgen war es ruhig. Komisch. Und dann wussten wir es. Luiz sagt gar nichts mehr, schweigend versieht er seinen Dienst. Lächelnd. Aber es fällt ihm schwer. Die Selecao, seine Selecao, hat verloren. Sie hat nicht nur verloren, sie ist von der deutschen Mannschaft vernichtend geschlagen worden. Demontiert, auseinandergenommen, zum fußballerischen Nichts geworden. Luiz kämpft mit den Tränen, ihm ist zum Heulen. Wie Tausenden im Stadion, die geweint haben um ihre Mannschaft. Um ihre Hoffnungen. 1:7. Unvorstellbar. In Brasilien ist die Welt untergegangen. Es ist zum ersten Mal, seit wir hier sind, absolut still im Camp.

Luiz hat das 1:7 in Mark und Bein getroffen. Er braucht gar nichts zu sagen, wir wissen, wie das ist. Wenn so etwas passiert. Das muss man nicht erklären, man weiß das. Wenn man den Fußball liebt. Nach solchen Katastrophen sagt man besser nichts. Es wird Zeit brauchen, bis die brasilianische Seele diese Niederlage verdaut hat, sagt Joachim Löw. Das mag sich für den einen oder anderen pathetisch, übertrieben, unwirklich anhören. Es ist die Wahrheit, und nichts als die Wahrheit. Die Selecao ist in Belo Horizonte untergegangen. Und mit ihnen ihre Anhänger, es hat Ausschreitungen gegeben, aber das ist es nicht.

Ruhe breitet sich aus in Brasilien. Es gibt nichts mehr zu sagen. Weil nicht nur Luiz traurig ist, fertig mit der Welt für den Moment. Und er lächelt trotzdem. Das haben wir ihm ganz hoch angerechnet.

Miro Klose, Superstar

VON CHRISTOPH FISCHER

Nichts geht über Miroslav Klose. Sagt der Bundestrainer. Und Mats Hummels sagt es auch. Klose sei der herausragende deutsche Angreifer. Miro Klose, Superstar. 136 Länderspiele hat Klose absolviert, 23 davon bei Weltmeisterschaften. 71 Tore hat er erzielt, 16 davon bei Weltmeisterschaften. Mehr als jeder andere vor ihm. Ronaldo ist Vergangenheit, die Gegenwart ist Klose.

2002 stand er zum ersten Mal in einem Halbfinale. Belo Horizonte war das vierte und letzte seiner Karriere. Voraussichtlich. Was Klose fehlt, ist der Titel. Er wisse, wie es ist, ein Halbfinale zu verlieren. Wie man sich da fühlt. Er weiß auch, wie es ist, ein Finale zu verlieren. Wie man sich dann fühlt. Einmal in seiner Laufbahn möchte Klose es erleben, ein Finale zu gewinnen. Das Gefühl fehlt ihm. Und dieses fehlende Gefühl treibt ihn im Alter von 36 Jahren immer noch zu Höchstleistungen an.

Bei seiner ersten Weltmeisterschaft erzielte Klose 2002 fünf Tore. Joachim Löw bedeuten die 16 Treffer von Klose „wahnsinnig viel“. Das darf man dem Bundestrainer abnehmen. Klose möchte endlich zu den ganz Großen zählen, den überragenden deutschen Angreifern, die Weltmeister geworden sind. Fritz Walter, Gerd Müller, Jürgen Klinsmann und Rudi Völler. Klose fehlt in dieser Reihe der Heroen.

Wenn diese Karriere noch ein Ziel kennt, dann ist es, am Sonntag im Maracaná zu Rio des Janeiro Weltmeister zu werden. Erst dann wird die Mission von Miroslav Klose erfüllt sein. „Es gibt keinen, der Miro das nicht gönnen würde“, sagt der Bundestrainer. Das stimmt auffallend.

Wohngemeinschaften sind in

Es drängt mich in den verbleibenden Tagen von Porto Seguro doch noch zu einem politischen Statement. Und das hat mit meiner studentischen Vergangenheit in den 70er Jahren zu tun. Auch wenn die nicht mehr so bewegt waren wie das Jahrzehnt davor, zählte in den 70er Jahren des alten Jahrtausends in Köln und Bonn die Wohngemeinschaft wie anderorts auch zu den prägenden Lebensformen. Sie war erstens preiswerter als alles andere, jeder hatte seinen Teil zum gesamtganzen Gelingen beizutragen und auch sonst barg sie manch erstrebenswerte Abenteuer.

Nun sind der Kollege Michael und ich von Abenteuern jedweder Art in Porto Seguro weit entfernt. Aber jeder weiß doch, was zu tun ist. Der eine kauft ein, der andere wäscht, der eine räumt auf, der andere bügelt. Ohne die Erfahrungen von Wohngemeinschaften würde das nicht funktionieren. Haben wir zuletzt jedenfalls nochmals übereinstimmend festgestellt.

Wir folgern daraus, dass die Wohngemeinschaft auch vier Jahrzehnte später noch attraktiv ist. Wenn das mit dem gesamtganzen Gelingen natürlich immer auch mit langwierigen Diskussionen zu tun hatte, man machte damals ja nichts, ohne es vorher eingehend zu besprechen. Und das Zusammenleben konnte ja durchaus unterschiedlich geprägt sein. Konservativ, sozialdemokratisch, liberal, sozialistisch, kommunistisch. Wir hatten auch Phasen, da wohnten alle prägenden politischen Richtungen der damaligen Zeit unter einem Dach. Das war nicht immer einfach. Aber es hat alle damals weitergebracht. Finden Michael und ich zumindest.

Zuletzt haben wir daran gedacht, in Irland nochmals gemeinsam Urlaub zu machen. Das haben wir früher öfter. Mit dem Rad, „friends of the irish opera“, wenn Sie verstehen. Wenn Sie also bei Ihrem nächsten Irland-Urlaub zwei ältere Herren auf Tourenrädern heftig diskutierend durch, sagen wir einmal, Limerick, fahren sehen, könnte das mit den Tagen von Porto Seguro zusammenhängen. Nur dass sie das schon einmal wissen. Es handelt sich um eine Promotiontour für Wohngemeinschaften.

Der längste Tag der Expedition

VON CHRISTOPH FISCHER

Nach 32 Tagen beschwert man sich nicht mehr. Dafür dauert die Weltmeisterschaft schon zu lange. Halbfinale in Belo Horizonte, kurz BH, bitte keine falschen Assoziationen. Estadio Mineiroa. Belo Horizonte, die schöne Aussicht, hoffentlich auch schöne Aussichten für die Fußball-Vertretung Deutschlands. Eigentlich ist die Schöne Aussicht gar nicht weit von unserem Dorf entfernt, 65 Minuten mit dem Flugzeug. Wir waren schon länger unterwegs in Brasilien.

Unsere findigen Reisekaufleute aus Frankfurt haben sich für diesen besonderen Termin eine besondere Terminierung einfallen lassen. Ursprünglich sollten wir um 7.00 Uhr Ortszeit auf unserem kleinen Flughafen in Porto Seguro abheben. Dann haben sie den Termin vorverlegt. 4.00 Uhr Abflug, 3.00 Uhr am Flughafen, 2.00 Uhr aufstehen. Für ein Spiel, das, eine Flugstunde entfernt, um 17.00 Uhr Ortszeit anfängt. Wie gesagt keine Beschwerde. Was interessieren meine Befindlichkeiten auf dem Weg ins Finale?

Wir waren um 6.00 Uhr in BH, sind ein wenig herumgelaufen, Kaffee gab es noch nicht, weil alles noch geschlossen war. Keine Seele auf der Straße, außer Hunderten von Obdachlosen, die sie in Belo Horizonte zumindest nicht weggejagt haben. In Belo Horizonte ist wegen des Halbfinales Feiertag. Der Verkehr in der 2,6-Millionen-Metropole wäre sonst mit Sicherheit zusammengebrochen. Irgendwann haben wir dann doch noch einen Kaffee bekommen und sind dann in der gebotenen Frühe im Stadion angekommen. 11.00 Uhr Ortszeit, noch sechs Stunden bis zum Anpfiff. Ich war noch nie so unsinnig früh bei Weltmeisterschaften in einem Stadion. Aber die Reisemenschen des Deutschen Fußball-Bundes haben keinen anderen Weg gefunden.

Wenn das Spiel vorbei ist, sagen wir der Einfachheit halber gegen 20.00 Uhr, haben wir alle Zeit der Welt, sagen unsere Organisatoren. Dank ihres nachgewiesenen Talents fliegen wir erst um 2.00 Uhr morgens zurück, kurz nach 3.00 Landung, voraussichtlich gegen 4.00 im Dorf und im Bett. Summa summarum 26 Stunden unterwegs für ein Fußballspiel, nachweislich der längste Tag unserer Expedition ins schöne Brasilien. Manchmal fragt man sich schon, ob das alles sein muss. Aber es ist ja ein Halbfinale einer Weltmeisterschaft, kein Dorfsportfest. Obwohl die Damen und Herren aus Frankfurt besser zu Dorfsportfesten passen würden.

BH ist übrigens keine besonders schöne Stadt, auch wenn Tostao und die Präsidentin Dilma Rousseff hier das Licht der Welt erblickt haben. Aber das nur ganz nebenbei. Und alles keine Beschwerden, lieber Leser. Nur Feststellungen. Aber wenn Jogi und die Jungs jetzt auch noch verlieren, dann werde ich in Brasilien erstmals richtig sauer.

Garantien gibt es nicht

VON CHRISTOPH FISCHER

Jeder sieht das sicher anders. Und Garantien gibt es bei einer Weltmeisterschaft ohnehin nicht. Aber die deutsche Fußball-Nationalmannschaft steht bei dem wichtigsten Sportereignis der Welt zum vierten Mal hintereinander im Halbfinale. Der ungeliebte Bundestrainer hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das ein unglaublicher Erfolg ist. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ein Triumph in Rio de Janeiro im Finale der Weltmeisterschaft wäre die logische Konsequenz. Wenn es im Fußball denn eine Logik gäbe. Gibt es aber nicht. Dennoch deutet das ganze Auftreten dieser deutschen Mannschaft in Brasilien auf die Möglichkeit des ganz großen Erfolges hin. Diese Gelassenheit, diese Abgeklärtheit, diese Coolness, die Joachim Löw vorlebt, sie ist nicht gespielt oder demonstriert. Es ist das Selbstverständnis dieser Nationalmannschaft, die sich auf den Punkt konzentrieren kann. Die sich nach fünf Spielen in Brasilien auf den Weg gemacht hat, den vierten Titel nach Deutschland zu holen.

Es war nicht alles perfekt, was das Team von Löw abgeliefert hat. Und es geht in Belo Horizonte auch nicht gegen irgendeine Kirmestruppe sondern gegen den fünfmaligen Weltmeister, eine der dominierenden Formationen der Welt, auch wenn Neymar und Thiago Silva nicht dabei sind. Die besten vier Mannschaften stehen im Halbfinale, hat Manuel Neuer mit großer Selbstverständlichkeit gesagt. Auch dem ist nichts hinzuzufügen.

Es ist diese Selbstgewissheit, die die Grundlage berechtigter Hoffnungen ist, dass Löw dieses Mal endlich der ganz große Wurf gelingt. Mit dem er sich dann verabschieden könnte. Und vielleicht wird erst dann vielen klar sein, um was für einen außergewöhnlichen Typ es sich bei Herrn Löw handelt.

Jetzt ist alles bereitet, jetzt geht es ums Ganze.

Die Armut wird bleiben

VON CHRISTOPH FISCHER

31 Tage Brasilien. Porto Seguro, Santo André, Salvador, Fortaleza, Recife, Rio de Janeiro haben wir gesehen, die Landschaft zwischen Porto Seguro und Salvador haben wir erkundet. In 24 Stunden kommt Belo Horizonte hinzu. Kennen wir Brasilien? Kennen wir nicht. Kennen wir die Brasilianer? Kennen wir nicht.

Was bleibt von diesem Land? Eine große Ungewissheit, was die Zukunft anbelangt. Milliardenteure Stadien, die dieses wunderschöne Land genauso wenig braucht wie Südafrika, wo die Weltmeisterschaft vor vier Jahren stattfand. Brasilien wird in zwei Jahren Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2016 sein. Was werden diesem Land die größten Sportfeste der Welt bringen? Außer für ein paar Wochen im Mittelpunkt des Weltinteresses gestanden zu haben.

Vermutlich bleiben Schulden. Dass die Sportereignisse dieses riesige Land wirtschaftlich nach vorne bringen, sind nicht mehr als formulierte Wünsche in den Fensterreden korrupter Politiker. Volkswirtschaftlich befindet sich dieses Land nach einem kurzen Höhenflug in der Abstiegsspirale. Das sagen zumindest alle Experten. Wenn der große Tross verschwunden ist, wird das Land mit seinen Problemen alleine zurückbleiben. Uns haben sie gesagt, sie hoffen darauf, dass viele, die da waren, wiederkommen. Als zahlende Touristen.

Und selbst wenn dieser Wunsch in Erfüllung gehen sollte, wird das die Probleme des Landes nicht lösen. Und die Menschen werden sich fragen, was man mit ihnen veranstaltet hat. Sie werden sich fragen, warum in ihrem Land eine Fußball-Weltmeisterschaft stattgefunden hat. Und warum Olympische Spiele.

Bleiben wird die Armut. Und der Reichtum weniger. Und die Hoffnung von Millionen. Das ist zum Leben zu wenig. Und zum Sterben zu viel.