Immer am Ball

22.22 Uhr am Freitagabend. In der GEA-Sportredaktion wird akuell die Samstag-Ausgabe produziert.

Frank Pleyer ist unser lebendiges Rechtschreibprogramm

Frank Pleyer ist unser lebendiges Rechtschreibprogramm

 

Manfred Kretschmer haut noch mächtig in die tasten; Frank Pleyer schaut, dass uns der Fehlerteufel keinen Streich spielt und Michael Grimm haben wir diese beiden Bilder der Kollegen zu verdanken…

Ganz dicht dran an der deutschen Nationalmannschaft: Manfred Kretschmer.

Ganz dicht dran an der deutschen Nationalmannschaft: Manfred Kretschmer.

Lieber Brasilien als Brüssel

VON CHRISTOPH FISCHER

Wir haben in Porto Seguro ein interessantes, sozusagen interfraktionelles Gespräch geführt. Das liegt unter anderem daran, dass dieser Mann etwas zu sagen hat, der seit 2002 für die Christlich Demokratische Union im Bundestag sitzt. Reinhard Grindel aus Hamburg ist aber nicht nur Bundestagsabgeordneter, ehemals im Innenausschuss, jetzt im Sportausschuss, sondern seit Oktober 2013 auch Schatzmeister des Deutschen Fußball-Bundes, einem der reichsten Sportverbände der Welt. Der Mann hat Ahnung. Auch vom Fußball.

Höchstens drei Millionen Euro gibt es für die Deutschen, wenn es tatsächlich der Titel werden sollte. „Mich ärgert, dass der Weltfußballverband unglaubliche Summen mit einer Weltmeisterschaft verdient, aber nur einen Bruchteil an die nationalen Verbände weiterreicht. Ich halte das für unvertretbar“, sagt Grindel beim Rotwein bestimmt. Das müsse geändert werden. Aber im Weltfußballverband sind Reformen ohne personelle Veränderungen in der Führung schwer vorstellbar. Das hat auch der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Wolfgang Niersbach gesagt. „Ich bin der Meinung des Präsidenten“, sagt Grindel.

Und spricht dann, wie Politiker reden. Der Reformprozess in der Fifa brauche endlich eine neue Dynamik, neue Köpfe. Der Herr Kollege Grindel leitete ab 1997 das Studio des ZDF in Berlin, vorher war er für ZDF und Sat.1 in Bonn und nachher in Brüssel. Eine journalistische Karriere, sagt man. Grindel weiß, wie er was wann wo zu sagen hat. Und wann er davon ausgehen kann, dass es auch im General-Anzeiger in Reutlingen geschrieben wird. Das ist so bei Politikern, die im Idealfall vorher Journalisten gewesen sind. „Habt ihr eigentlich etwas mit dem General-Anzeiger in Bonn zu tun?“, fragt er. Indirekt, sage ich. Der deutsche Botschafter hatte mich das auch schon gefragt.

„Entweder gefällt es einem in Brüssel oder eben nicht. Mir gefällt Brüssel nicht“, sagt Grindel und lächelt beim zweiten Rotwein. Dann hat ihm die CDU ein Angebot gemacht. Seitdem macht er Politik. Und jetzt eben auch Sportpolitik. Wegen der Finanzen in Fifa und DFB wollen wir nächste Woche telefonieren. Grindel muss zurück nach Berlin, Sitzungswoche. Irgendwie macht er ein Gesicht, als würde er lieber in Brasilien bleiben. (GEA)

Wäsche im Quartier

Es wird allmählich knapp im Quartier. Also nicht platzmäßig, sondern mit der Wäsche. Die Kollegen haben schon mehrere Waschgänge hinter sich, aber in unserer bewährten WG wird eigentlich bis zum heutigen Tag immer nur über die Wäsche gesprochen. „Wir müssten eigentlich endlich einmal waschen“, sagt der geschätzte Kollege Michael J. „Kennst du dich mit der Maschine aus?“, frage ich. „Ja klar, ich wasche zu Hause doch auch“, sagt Michael.

Es tut sich aber nichts. Ich habe es heute wieder versucht. „Wir müssten eigentlich unbedingt mal waschen“, sage ich. Michael schaut ein wenig betreten und sagt dann: „Dazu brauchen wir Waschmittel.“ Die Kollegen haben welches, da haben wir gestern drüber gesprochen, ich erinnere mich genau. „Dann müssten wir es holen“, sage ich. Michael nickt. Es tut sich nichts.

Gott sei Dank fliegen wir morgen nach Fortaleza. Das heißt: Morgen können wir auch nicht waschen. Und am Sonntag müssen wir wieder nach Santo André ins Quartier der Nationalmannschaft. Ehrlich gesagt, erwarte ich den ersten Waschgang in unserer WG realistisch frühestens Montag. Also, bevor Sie denken, ich sei ein Schmierfink, ein irgendwie ungepflegter Mensch: Zuhause in Reutlingen wasche ich auch. Ich weiß, wie die Maschine funktioniert, ich habe sie schließlich selbst gekauft. Waschmittel gibt es auch. Und wenn nichts mehr da ist, sorgt meine bessere Hälfte für Nachschub. Gut, sie wäscht auch häufig. Wahrscheinlich, ehrlich gesagt, häufiger als ich. Und sie bügelt Hemden. Und außerdem habe ich fast nie Zeit. Zum waschen, meine ich.

„Wir sollten jetzt endlich mal waschen“, sage ich in Porto Seguro nochmals mit Nachdruck. Ich verstehe einfach nicht, warum der geschätzte Mitbewohner sich nie um Waschmittel kümmert. Vermutlich denkt er das aber auch von mir. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Der GEA ist dick dabei

Stattliche vier Mitglieder der GEA-Sportredaktion – Sabine Hirrle, Michael Grimm, Manfred Kretschmer und Frank Wild – haben beim WM-Tipp der Wanderfreunde Enzian mitgemacht. Und streiten sich seit Beginn des Eröffnungsspiels mit dem Organisator des Tippspiels, dem Pfullinger Fußball-Abteilungsleiter Timo Schyska, sowie weiteren 170 Leuten um die vorderen Plätze und damit um die fetten Geldtöpfe.

Wobei man sagen muss, dass sich Frank Wild eigentlich bereits nach dem ersten Spieltag aller Mannschaften verabschiedet hat. Ganz anders Manfred Kretschmer und Michael Grimm, die beide nach dem ersten Auftritt aller Teams unter den Top Ten auf dem geteilten fünften Rang lagen. Der GEA ist also dick dabei – klaro: Da sitzt der geballte Fußball-Sachverstand, der jeden Tag auf fünf Seiten über die WM berichtet.

Das Ende einer Ära

Trainer Vicente del Bosque kann mit Spanien nach dem letzten Vorrundenspiel am Montag die Heimreise antreten. FOTO: WITTERS

Trainer Vicente del Bosque kann mit Spanien nach dem letzten Vorrundenspiel am Montag die Heimreise antreten. FOTO: WITTERS

VON CHRISTOPH FISCHER

Es tat fast körperlich weh, die Spanier zu sehen. Das Mühen um Rehabilitierung nach dem 1:5 gegen die Niederlande. Aber die Mühen des amtierenden Weltmeisters waren auch gegen Chile vergeblich. Ganz offensichtlich vergeblich. Eine Mannschaft, die seit dem Europameistertitel 2008 den Weltfußball dominierte, hat ihren Zenit am Ende doch schneller überschritten als erwartet.

Experten hatten vorausgesagt, dass Spanien selbstverständlich Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung in Brasilien habe. Aber das elegante Kurzpassspiel, das die Spanier selbst dann noch nicht aufgaben, als sie längst geschlagen waren, hat sich überholt. Die enorme Dynamik und Schnelligkeit des Fußballs ist über sie hinweg gegangen. Die Spanier haben nichts mehr zuzusetzen. Und trotzdem tut es weh, diese großartigen Techniker am Ende als Verlierer zu sehen.

Vicente del Bosque, dieser große Trainer, ist mit seinem Latein am Ende. „Das ist ein sehr trauriger Tag für uns“, sagte er. Und irrte nach dem 0:2 gegen Chile orientierungslos durch die Arena. Der Mann findet sein Ziel nicht mehr. Einer, der für Neuerungen stand, der mit seinen Ideen den spanischen Fußball entwickelte wie keiner vor ihm, ist an das Ende seiner Schaffenskraft gelangt. Eine Ära ist vorbei.

Auch die Spanier müssen akzeptieren, dass man den Weltfußball nicht langfristig dominieren kann. Irgendwann ist die Dominanz, die Einmaligkeit einer Mannschaft, nur noch bewunderte Vergangenheit. Der Absturz ist meist brutal. Aber nur er ermöglicht den Neuanfang. Ohne die Akteure vergangener Höhenflüge.

Breitner wie nie: Ein Tag im Campo mit Jogi und Hansi

VON ACHIM MUTH

Neuer Tag im Campo Bahia: Draußen fließt ruhig der Niersbach vorbei. Die Fischer auf dem Kahn werfen ihre Netzer aus, in der Reus zappelt eine Scholl. Am Ufer arbeiten einige Weidenfeller mit ihrer Axt. Durchs Gestrüpp streift ein Löw. Am Himmel flattert ein Finke. Drüben auf dem Mertesacker kicken ein paar Kinder. Idylle. Auf dem Bierhoff des Campo sitzt der Jogi und trinkt ein Glas Balotelli. Eben hat er noch mit seiner Dante telefoniert. Im Fernsehen läuft gerade der Kinofilm Hulk, der hat einen Oscar bekommen. Das Haus ist eine tolle Immobile, es hat sogar einen Durm aus Holz. Den hat der Draxler gemacht. Auch das Badezimmer glänzt, erst gestern ist der Beckenbauer fertig geworden. Alles edel: Der Badstuber ist aus Mahagoni, der Wasserhahn aus Silva und hat 1000 Sterling gekostet. Lahm gingen die Bauarbeiten zunächst voran, doch dann klappte alles wie am Schürrle. Jetzt wohnt die ganze Kompany schon ein paar Tage hier. Das erste Spiel wurde gewonnen, nach einem Ginter über rechts hat Poldi mit der Piqué getroffen. Alles scheint gut. Plötzlich kommt der Hansi auf seiner Kawashima angefahren und ruft: „Jogi, drüben in der Villa sieht es aus wie bei einem Schweinsteiger. Man glaubt da wohnt ein Messi oder ein Pena.“ Aber auch Hansis Kleider sind schmutzig. Sein Sakho hat einen Flick, da waren offenbar Motta dran.

Jogi: „Hansi, ich gebe Dir mal einen Matip: Nimm etwas van Persie, dann geht das raus.“

Hansi: „Und wenn nicht?“

Löw: „Dann nimm einen Zwanziger und lass Dir beim Snijder ein neues machen.“

Hansi: „Gut, Jogi.“

Plötzlich schreit der Mats, er wurde von einer Hummels gestochen. Di Maria macht ihm einen Verband und dann gehen sie alle durch den Park zum Mittagessen in die Mensah vom Campo. Gestern gab’s griechisches Glykos mit Tziolis. Auf dem Hitzfeld dampft es aus den Töpfen.

Jogi: „Hansi, was gibt’s heute zum Essien?“

Hansi: „Hausgemachte Klose mit Sosa, richtig schön Kroos.“

Mmmhhhh. Leckie. Die mag der Jogi, er schüttet sich aber immer noch etwas Maggio drüber. Dazu hat der Schwarzenbeck frisches Brot aus echtem Roggenmehl vom Müller gemacht.

Hansi: „Was magst du trinken, Jogi?“

Jogi: „Ich nehme einen Coentrao, und du?“

Hansi: „Für mich einen Martinez.“

Gemütlich sitzen sie auf der Mata und werden immer Völler. Die Köpke sind schwer. Hinter dem Effenberg mit dem Großkreutz geht die Sonne unter. Der Jogi gibt dem Hansi einen Klopp: Ein Herz und eine Seeler. Am Ende sind sie Breitner wie nie. Aber ein letztes Zieler haben sie noch: Weltmeister.

Als Rennfahrer unterwegs

VON CHRISTOPH FISCHER

Wir sind zurück in Porto Seguro. Nicht, dass ich klagen will, aber es war nicht ganz einfach. Kollege Michael hat geschimpft mit mir, weil ich die Landstraße von Salvador zurück ins Stammquartier benutzt habe wie qualifizierte Rennfahrer früher die Nordschleife auf dem Ring. Aber der Reihe nach. Im Pelourinho wird normalerweise abgeschleppt, was das Zeug hält. Aber unser kleines weißes Auto, Fabrikat uninteressant, nur soviel: Das Werk steht in Köln, unser kleines weißes Auto also haben sie stehen gelassen. Weil sie genau gewusst haben, die Jungens bestrafen sich selbst.

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Zur Bedeutung von Statistiken

VON CHRISTOPH FISCHER

Früher waren Statistiken im Sport vorwiegend etwas für Basketballer, Volleyballer, Baseballer, Leichtathleten und Schwimmer. Seit im Fernsehen immer mehr Sendezeit für den Fußball aufgewendet wird, ist diese Sportart auch etwas für Statistiker. Menschen wie Joachim Löw hat das zwar nicht zu Freunden der Statistik gemacht, aber die Match Reports bei Fußball-Weltmeisterschaften werden wie in der deutschen Bundesliga immer umfangreicher.

Welche Mannschaft in welchen Teil des Spielfeldes mehr Ballbesitz gehabt hat, wie das Verhältnis von Ecken, Freistößen, Abseitsstellungen, Ballbesitz und effektiver Spielzeit ist, beschäftigt die Statistiker. Das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Portugal dokumentiert in einigen Bereichen absolute Übereinstimmungen. Bei den erfolgreichen Torschüssen selbstredend natürlich nicht. Und auch nicht im Ballbesitz und in der effektiven Spielzeit. Und dennoch sind die Statistiken nicht annähernd so aussagekräftig wie das Ergebnis.

Wir wollen jetzt nicht die Sprüche aufzählen, wonach nichts so entscheidend ist wie das, was sich auf dem Platz abspielt, aber ein paar Beobachtungen abseits der Statistik sind doch schon jetzt auffallend bei dieser Weltmeisterschaft. Wir versteigen uns zu der Behauptung, dass das deutsche Spiel das modernste scheint, das spanische wirkt ein wenig überholt, das brasilianische Spiel hat seinen Zauber noch nicht entfaltet, das System von Louis van Gaal und den Niederländern ist beeindruckend und die Italiener leisten sich im Jahre 2014 in dem großartigen Andrea Pirrlo immer noch einen Regisseur alter Prägung.

Deutschland, Italien und die Niederlande spielen bisher als einzige Mannschaften wie Turnierfavoriten. Das muss gar nichts heißen, ganz ohne Bedeutung ist es deshalb aber nicht. Wie die Statistiken eben.

Die Bewerbung von Salvador

VON CHRISTOPH FISCHER
Das war in dieser Dominanz nicht erwartet worden. Der klare Sieg gegen Portugal war nicht nur eine Demonstration der Stärke der deutschen Nationalmannschaft, es war auch eine ernsthafte Bewerbung um den Titel. Selbst Wolfgang Niersbach reagierte überrascht auf den klaren Erfolg gegen den Weltranglisten-Vierten. Freude pur habe auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ausdruck gebracht beim Besuch in der Kabine, berichtete DFB-Präsident Niersbach.
Der Anfang ist gemacht. Und die Form des deutschen Teams spricht dafür, dass sie bei diesem Turnier weit kommen kann. Die Defensive spielt weitestgehend solide. Und in der Offensive ist die deutsche Mannschaft von der Konkurrenz nur schwer zu übertreffen. Die Startformation kann Joachim Löw auf fast jeder Position nochmals intensivst dynamisieren, wenn es einmal nicht laufen sollte. Das Projekt mit der »ersten 14« ist die richtige Antwort auf die speziellen Herausforderungen dieser Weltmeisterschaft.
Ein Auftakterfolg gegen Portugal ist noch keine Garantie für Irgendetwas, aber die Souveränität, mit der dieser Sieg herausgespielt wurde, ist mindestens ein so großes Ausrufezeichen wie der Erfolg der Niederländer gegen den Weltmeister Spanien oder der Sieg der Italiener gegen die starken Engländer. Nach vier Tagen zeichnet sich auf jeden Fall ab, dass diese Weltmeisterschaft fußballerisch eine herausragende werden kann.