Sonntags hat der Koch Pause

Wir haben endlich durch Vermittlung eines langjährigen Freundes und Kollegen vom Sport-Informations-Dienst ein Gasthaus gefunden, das wir bis gestern Abend schon fast als unsere Stammkneipe in Porto Seguro bezeichnet haben. In dieser Kneipe steht ein Steinofen. Und in diesem Steinofen wird eine wunderbare Pizza gebacken. Die haben wir bisher mit größter Freude verzehrt. Seit José weiß, dass ich Weintrinker bin, ist auch der Sauvignon aus Chile kaltgestellt. Alles bestens.

Gestern Abend sind wir nun experimentierfreudig geworden. Das hat sich als großer Nachteil herausgestellt. Jedenfalls haben wir zum ersten Mal ein Stück von einem toten Tier bestellt. Filet Mignon war angesagt. Und Mailänder Schnitzel. Normalerweise kommt José immer noch mal vorbei und fragt, ob er alles richtig verstanden hat. Das hat er gestern nicht getan. Wir schöpften aber noch keinen Verdacht.

Viel später kam das Fleisch. Ohne Beilagen. Die kämen in zwei Minuten, sagte José. Wir sagen es ungern, aber das Fleisch war ungenießbar. Ich komme mit meinen Zähnen trotz meines Alters immer noch durch alle kulinarischen Hindernisse, gestern musste ich aufgeben. Man hätte mir auch einen alte Reifen auf den Teller legen können. Der Kollege aus Osnabrück wurde richtiggehend sauer. Das passiert normalerweise nie. Kurz vor der Eskalation habe ich bezahlt. Die Getränke. José hatte ein Einsehen.

Mir ließ es keine Ruhe. Und ich habe nachgefragt. Mensch Alter, wer hatte denn heute in der Küche Dienst? In der Küche sei sonntags keiner, sagte José kleinlaut. Und weil er uns mag, hätte er es ausnahmsweise selbst versucht. Und das habe nicht funktioniert. Kann man so einem Menschen böse sein? Ich sage in aller Entschiedenheit: Nein. Heute gehe ich wieder hin. Ich lasse José nicht im Stich.

Gesunde Härte?

VON CHRISTOPH FISCHER

Bastian Schweinsteiger hat es gesagt. Gesunde Härte im Fußball ist kein Problem, sondern eine Tatsache der sportlichen Auseinandersetzung auf höchstem Niveau. Was mit dem Brasilianer Neymar passiert ist, hat nach Ansicht nicht nur von Mehmet Scholl mit gesunder Härte aber nichts mehr zu tun. Dass vor allem dominierende Spieler mit Brutalität konfrontiert werden, hat Luiz Felipe Scolari in großer Eindringlichkeit festgestellt.

Auch Bastian Schweinsteiger hat darauf hingewiesen, dass es in Brasilien schon „einige Fälle“ gegeben hat, die über die von ihm genannte und geforderte gesunde Härte hinausgegangen sind. Die Frage ist, ob Schiedsrichter das verhindern können. Oder ob die Geschwindigkeit des Spiels auf höchstem Niveau selbst den herausragendsten Schiedsrichter nicht irgendwann überfordern muss. Und genau dann stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, weitere technische Hilfsmittel zu nutzen. Dass der Weltfußballverband Fifa eine Prüfung der Vorkommnisse in Fortaleza zugesagt hat, ist ein erster Schritt. Ob der zielführend ist, sei dahingestellt.

Um nicht falsch verstanden zu werden. Es kann in Brasilien keinen pauschalen Vorwurf gegen die Schiedsrichter geben. Sie leiten die Spiele im Rahmen ihrer individuellen Möglichkeiten, die bei dem einen weiterentwickelter sind als bei dem anderen. Aber wer bei einem Turnier wie der Weltmeisterschaft die Torlinientechnik einführt und damit nachweisbare Erfolge erzielt, der muss sich schon die Frage gefallen lassen, warum das der Technik letzter Fortschritt sein muss.

Es ist eben nicht mehr so, dass der Fußball auf allerhöchster Ebene derselbe Fußball ist, der auf den Sportplätzen nebenan gespielt wird. Da lohnt das Nachdenken allemal. Wer Änderungen auf höchster sportlicher Entwicklungsebene zulässt, muss sich nicht automatisch den Vorwurf der Spaltung einer Sportart gefallen lassen.

Am siebten Tage sollst du ruhen

VON CHRISTOPH FISCHER

Sie finden das jetzt vielleicht ein wenig ungewöhnlich, lieber Leser, aber das aktuelle Tagebuch beginnt heute mit einem bekannten Wort aus dem zweiten Buch Moses. „Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun, aber des siebenten Tages sollst du feiern, auf dass dein Ochs und Esel ruhen und deiner Magd Sohn und der Fremdling sich erquicken.“ Zurück aus der Metropole Rio de Janeiro geht das Leben in Porto Seguro wieder seinen gewohnten Gang. Gefeiert haben wir zwar nicht, wir haben grippale Infekte bekämpft, die in Rio de Janeiro überfüllten Schreibblöcke abgearbeitet und die Zitate geordnet, Telefonate geführt, die anfallenden Termine besprochen, ansonsten aber war Ruhe angesagt. Wir sind jetzt seit dem 7. Juni auf der Piste, dieses Sportfest in Brasilien ist wirklich anstrengend. Und deshalb haben wir uns eine biblische Pause gegönnt. Moses hatte den Sonntag vorgesehen, wir haben den Samstag genommen.

Nach der Pause ist vor dem Stress. Heute ging es frühmorgens mit der Fähre wieder in Richtung Santo André. Die Nationalmannschaft trainiert heute noch einmal und macht sich dann auf dem Weg nach Belo Horizonte, wo Brasilien ohne Neymar am Dienstag der Halbfinalgegner ist. Bundestrainer Joachim Löw werden inzwischen in der Republik Lobeshymnen gesungen, woran Sie erkennen können, wie schnell in diesem Geschäft die Stimmung umschlägt. Wenn selbst die Kollegen eines bekannten Hamburger Nachrichtenmagazins schon fast euphorisch vermuten, einen derart wunderbaren Trainer habe die Republik eigentlich gar nicht verdient.

Wir bleiben auf dem Boden der Tatsachen. Es sind auf jeden Fall noch zwei Spiele, entweder geht es ins Finale zurück ins Maracaná oder zum Spiel um die goldene Ananas nach Brasilia. Was wir bevorzugen, ist bekannt, aber bis dahin ist noch ein gutes Stück Arbeit zu erledigen. Dass im Halbfinale die Creme des internationalen Fußballs aufeinandertrifft, war vielleicht nicht zu erwarten, überraschend ist es andererseits aber auch nicht. Deutschland gegen Brasilien und Argentinien gegen die Niederlande. Dass Bondscoach Louis van Gaal mit der Rochade seiner Torhüter vor dem Elfmeterschießen gegen Costa Rica neben dem brutalen Foul an Neymar das Gesprächsthema Nummer eins ist, kann nicht verwundern. Und der deutschen Mannschaft kann es nur Recht sein. Soweit man unmittelbar vor dem Halbfinale noch ein wenig Ruhe haben kann, die Deutschen haben sie auf ihrer Halbinsel. Und am Ende hat dann auch der Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff alles richtig gemacht mit dem Campo Bahia.

Die veröffentlichte Meinung in Deutschland scheint sich gedreht zu haben. Wie sich die öffentliche Meinung entwickelt, sieht man auf den Straßen der Republik. Es wird eine bewegte letzte Woche der Weltmeisterschaft. So oder so. Und seien Sie versichert: Die biblischen Sprüche haben bis zur Rückkehr nach Deutschland ausgedient.

Was tun, Herr Löw?

VON CHRISTOPH FISCHER

Die Systemfrage wird vermutlich die am intensivsten diskutierte Frage auf dem Weg ins Viertelfinale der Weltmeisterschaft im Maracaná von Rio de Janeiro sein. Denkt der Bundestrainer möglicherweise doch über Philipp Lahm auf der Rechtsverteidigerposition gegen Frankreich nach, wie löst er überhaupt das Problem mit den Außenverteidigern bei diesem Turnier? Wie denkt Löw über die linke Angriffsseite, ist Mesut Özil als zentraler Regisseur vielleicht doch ein Gedankenspiel? Und was wird aus Miroslav Klose?

Nach den bisherigen Erfahrungen in Brasilien wird der Bundestrainer sein 4-3-3-System als Grundprinzip nicht aufgeben. Das spricht gegen einen klar definierten Spielmacher. Özil wird also auch gegen Frankreich zunächst rechts spielen. Mario Götze kann aufgrund seiner desolaten Darbietung gegen Algerien eigentlich keine Rolle mehr spielen, Lukas Podolski wird ihn gegen Frankreich ersetzen. Oder alternativ André Schürrle. Robuste und in der Premier League geübte Akteure sind auf jeden Fall gegen Frankreich eher angezeigt als Mario Götze, der gegen Algerien den Eindruck vermittelte, irgendwie ständig im Weg zu stehen.

In der Defensive wird Jerome Boateng wieder auf rechts rücken, wenn Mats Hummels in der Innenverteidigung gegen Frankreich einsatzfähig ist. Und auf links scheint Löw nicht über Alternativen zu Benedikt Höwedes nachzudenken, obwohl dessen Offensivqualitäten überschaubar sind. Löw, der von seinen Spielern höchstmögliche Flexibilität erwartet, sie müssen nach seinen Vorstellungen auf allen Positionen in ihren jeweiligen Reihen einsetzbar sein, lässt diese Flexibilität in seinen Gedankenspielen bisher (noch) nicht erkennen. Das muss gegen Frankreich nicht ins Auge gehen, ist aber auch nicht auszuschließen. Was tun, Herr Löw? Die Lage bleibt spannend. In jeder Hinsicht.

Mit und ohne Branding

VON CHRISTOPH FISCHER

Wissen Sie eigentlich, lieber Leser, warum mich der mangelnde Einsatz des einen oder anderen Nationalspielers nervt? Ich sage es Ihnen. Den Jungs wird überall alles abgenommen, alles, der Nationalspieler soll sich auf das Fußball spielen konzentrieren können. Das ist nachvollziehbar. Aber man wird doch verlangen können, dass Gegenleistungen nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Oder?

Jeden Tag hängt der Plan an der Zimmertür. Frühstück ist von 7.00 bis 10.15 Uhr, die Jungs sollen sich Zeit lassen bei der Nahrungsaufnahme. Aufstehen ist für 8.00 Uhr vorgesehen. Im Falle von Flügen muss das Gepäck bis 10.30 Uhr abgegeben sein. 10.40 Uhr ist Mannschaftssitzung, Abfahrt zum Stadion, wenn um 13.00 Uhr gespielt wird. Danach Transfer zum Flughafen. Abends Rückkehr ins Campo Bahia. Nach jedem Spiel, selbst nach dem Finale. Abends sind Frauen und Freundinnen herzlich willkommen. Bis zum nächsten Tag. Es geht schließlich nicht nur um Nahrungsaufnahme.

Ach ja, auf dem rechten Teil der nationalmannschaftlichen Dienstanweisungen steht die Kleiderordnung. Die Offiziellen trägen das Reise-Outfit von Hugo Boss, das Tagesoutfit der Spieler ist ein rotes T-Shirt ohne MB-Branding. MB steht für, Sie wissen schon, Mercedes Benz. Die Spieler tragen an Spieltagen den weißen Anzug des Deutschen Fußball-Bundes (auch ohne MB-Branding) und das Trainer- und Funktionsteam den roten Dienstanzug (auch ohne MB-Branding). MB-Branding geht nur, wenn der Journalist vorbeikommt und bei DFB-Terminen. An Spieltagen sieht das der Blatter Sepp als Präsident der Fifa nicht gern, weil Hyundai Fifa-Sponsor ist. Nun wissen Sie das auch, wenn Sie das nicht längst schon gewusst haben.

Die Kicker kümmern sich in Brasilien wirklich nur ums Kicken. Und das finde ich als überzeugter Sportler gut. Weil es dann wenigstens keine Entschuldigungen gibt. Wenn es einmal nicht funktioniert. Aber mit den Gegenleistungen, das muss gegen Frankreich irgendwie noch besser werden. Weil es irgendwann ja nicht mehr nur um die Kleiderordnung geht sondern um Prämien. In Millionenhöhe.

Was uns anbelangt. Wir sind Dienstagmorgen aus Porto Alegre gegen 3.30 Uhr in Porto Seguro gelandet. Abgeholt hat uns keiner. Und alles ohne Branding.

Das bisschen Haushalt macht sich von allein

Also Brasilien ist ja nicht nur Fußball schauen, Geschichten schreiben, im Flieger sitzen und im Hotel auf den nächsten warten. Nein, in unserem Quartier sind auch andere Talente gefragt. Vieles dreht sich um den Haushalt. Ich berichtete, glaube ich, schon von unseren Problemen mit der Waschmaschine. Wie soll ich sagen, die Probleme sind keine mehr.

Michael hat Waschpulver geholt, ich mir Expertenrat und seitdem läuft das Ding rund und wäscht und wäscht. Weil es aber mit Waschen nicht getan ist, Frauen dieser Welt aufgepasst, wird bei uns auch gebügelt. Nicht nur aus zeitgeschichtlichen Gründen habe ich Michael dabei fotografiert. Er macht das gut, bügelt bislang aber nur seine Sachen. Da muss ich noch Überzeugungsarbeit leisten. Ich hatte mir gedacht, ich lasse die Waschmaschine laufen und er kümmert sich um die Bügelarbeiten. Wir sind noch nicht endgültig entscheiden.

Aber es geht voran, aus der Innensicht würde ich davon sprechen, dass wir die Lage im Toko Village zu Porto Seguro im Griff haben. Andere beauftragen Wäschereien, wir machen es selbst. Selbst ist der Mann, und das bisschen Haushalt macht sich (wirklich fast) von allein. Um einen alten Schlagertext zu zitieren.

Vorfreude pur

Muss doch einmal gesagt werden. Bei aller berechtigten Kritik an der Leistung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Algerien im Achtelfinale von Porto Alegre. Die Mannschaft steht im Viertelfinale gegen Frankreich bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Muss man wirklich mehr sagen? Und diese Veranstaltung findet in einer Kultstätte des internationalen Fußballs statt. Im Maracaná. Das ist wie Wembley in London oder Bernabéu in Madrid oder Camp Nou in Barcelona. Vermutlich ist es mehr. Maracaná ist das Optimum.

Als bei der Weltmeisterschaft 1950 Brasilien mit 1:2 gegen Uruguay im entscheidenden Spiel der Finalrunde in Maracaná verlor, den Titel nicht gewann und das Land in totale Trauer stürzte, waren 203851 Menschen in diesem Stadion. Nie mehr vorher oder nachher waren bei einem Spiel mehr Zuschauer in einem Stadion, nie mehr spielte die Selecao seitdem in weißen Trikots und nie mehr war es in dem Stadionrund so ruhig wie damals, als der zweite Treffer Uruguays Brasilien in den Schockzustand versetzte. Dabei hätte die Selecao damals „nur“ ein Unentschieden benötigt und war mit 1:0 in Führung gegangen.

Seitdem gab es unzählige „Schlachten“ in diesem Stadion. Für die Weltmeisterschaft 2014 haben sie die Kultstätte umgebaut. Es ist ein anderes Stadion geworden, aber es ist natürlich immer noch das Maracaná. Ich kann nicht anders, als mich unbändig auf dieses Stadion zu freuen. Auch wenn es nicht mehr das alte ist, um das sich so viele Legenden ranken. Freitag ist es soweit. 13.00 Uhr Ortszeit ist Anstoß zwischen Deutschland und Frankreich in Rio de Janeiro. Und ich bin dabei. Vorfreude pur.

Die pure Kraft des Moments

VON CHRISTOPH FISCHER

Die deutsche Erfolgsgeschichte bei der Weltmeisterschaft in Brasilien geht weiter. Auch die großartige Mannschaft Algeriens konnte die Deutschen am Ende nicht aufhalten. Nun geht es in Rio de Janeiro im Viertelfinale gegen Frankreich. Der Masterplan von Joachim Löw hat weiter Bestand, auch wenn es gegen die Nordafrikaner ein schweres Stück Arbeit war. Es ist noch viel zu tun, bis aus Deutschland wieder ein Weltmeister werden kann. Aber die Chance ist weiter vorhanden.

Nur das Glück, ein überragender Torwart Manuel Neuer und ein Geniestreich von André Schürrle hielten die deutsche Mannschaft im Wettbewerb. Es war die pure Kraft des Moments, der für die Deutschen entschied. Aus einer weitgehend sicher stehenden Abwehr entwickelte die deutsche Mannschaft in Porto Alegre keine Ideen für ihr Offensivspiel. Das Schlimmste an dieser Vorstellung war aber, dass es dem einen oder anderen deutschen Profi an der Einstellung fehlte. Die Vorstellung von Mario Götze war ein Frechheit.

Von der Idealvorstellung Joachim Löws ist die Formation momentan noch weit entfernt. Und es zeigte sich einmal mehr, dass die Phase der Entscheidungsspiele ein anderes Geschäft ist als die Vorrunde. Die Mannschaft spielte über weite Strecken verunsichert, ihr fehlte die Physis und die Körpersprache, um die starken Afrikaner beherrschen zu können. Diese Mannschaft wuchs im Achtelfinale über sich hinaus, aber die Deutschen stehen im Viertelfinale. Der Fußball funktioniert so. Und das ist ja auch das Schöne daran.

 

Die Odyssee geht weiter

VON CHRISTOPH FISCHER

Es ist unsere sechste Station in diesem Land. Porto Alegre im Süden Brasiliens. Und wie anders das ist. 14 Grad, Regen, deutsche Kühle, das müsste den Jungs von Joachim Löw eigentlich liegen. Fritz Walter-Wetter, sagten wir früher. Für uns geht die Odyssee aber weiter. Mit dem Flieger war alles in Ordnung, pünktlich sind wir aus Porto Seguro eingeflogen, die Maschine hat ein wenig gewackelt, aber im Grunde alles bestens. Aber dann mussten wir wieder in den Bus. Und der war nicht akkreditiert, konnte also nicht auf die Parkplätze der Arena Beira Rio. Wir haben es dann gemacht wie der Journalist es immer macht. Wir sind zu Fuß zum Stadion. Und haben es rechtzeitig geschafft.

Passend zur Temperatur heißt unser Reiseleiter im Süden übrigens Arno Frost, kein Scherz. Sein Vater wanderte früh ins südliche Brasilien ein, seine Mutter ist eine waschechte Bayerin. Sein Bayerisch hat sich inzwischen etwas verloren, aber der deutschen Sprache ist er weiter mächtig. Porto Alegre sei die europäischste aller brasilianischen Städte, sagt Arno. Irgendwie sollten wir das bei unserem kurzen Aufenthalt sehen. Wir haben aber keine grundlegenden Unterschiede festgestellt, wir haben einfach zu wenig Zeit. Ich berichtete schon darüber: Einfliegen, Spiel sehen, berichten, ausfliegen, das ist unsere Welt. Wie sagt Lukas Podolski immer, wir sind nicht zum Spazierengehen in Brasilien.

Das Stadion ist neu wie alle Stadien für diese Weltmeisterschaft, die Stadt drumherum nicht. Also sind die Probleme auch in der europäischsten aller Städte Brasiliens vermutlich genau die gleichen wie andernorts. Und um zum Stadion zu kommen, braucht man Akkreditierungen, hätte das Reiseunternehmen eigentlich wissen müssen. Aber vielleicht sind wir nach dem Desaster von Recife einfach nur zu sensibel? Und was interessieren Sie, lieber Leser, eigentlich die Probleme der Berichterstatter vor Ort. Wir sind schließlich hier, um alles Notwendige in ihre Tageszeitung zu bringen. Das tun wir, und wenn wir Kilometer bis zum Stadion laufen müssten. In Porto Alegre waren es zwei oder drei.

Aber ärgerlich ist es schon. Und wir wissen ja noch nicht, wie wir nach dem Spiel schnell wieder wegkommen sollen. Vom Stadion zum Flughafen bei Hochbetrieb. Der Flieger wartet nicht, das hatten wir ja schon einmal. Ich halte Sie auf dem Laufenden und bitte um Verständnis für meinen erneuten Ärger.

Julio Cesar rettet die WM

VON CHRISTOPH FISCHER

Man kann zur brasilianischen Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft stehen wie man will, aber es ist gut für dieses Turnier, dass sie weiter dabei ist. Nicht nur Cacau befürchtet beim frühzeitigen Ausscheiden ein schnelles Umschlagen der Stimmung in Brasilien. Insofern rettete Torwart Julio Cesar vom FC Toronto im Elfmeterschießen gegen die tapferen Chilenen im Achtelfinale nicht nur Mannschaft und Trainer das Viertelfinale sondern womöglich auch den brüchigen sozialen Frieden im Land.

Brasilien darf weiter vom sechsten Titel träumen. Auch wenn die spielerischen Leistungen der Selecao bisher sehr überschaubar sind. Die Defensive um David Luiz vom FC Chelsea spielt zwar bisher weitestgehend überzeugend, aber alles, was man von der Offensive sieht, muss den anderen Favoriten der Weltmeisterschaft bislang zumindest keine Angst einflößen. Und bestätigt nachhaltig die Befürchtungen Pelés, dass es schwer werden wird für seine Nachfolger im Kampf um den Titel.

Die Frage, warum Fred immer noch im Sturmzentrum spielt, kann man nur damit beantworten, dass es im Land des Fußballs an international renommierten Angreifern fehlt. Auch Hulk von Zenit Sankt Petersburg wirkt mit seiner Körpermasse allein nachts auf einsamen Straßen Furcht einflößend, im Angriff präsentiert er sich gelegentlich fast unbeholfen. Bleibt Neymar, der beim FC Barcelona zwar immer noch keine Heimat gefunden hat, mit bisher fünf Treffern aber einer der herausragenden Stürmer des Turniers ist. Nach dem Einzug ins Viertelfinale weinte der Superstar minutenlang Freudentränen. Ob Neymar allerdings ausreicht, die Selecao ins Finale und zum Titel zu führen, steht dahin.